Karlsbader Mitteilungsblatt

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Verrat oder Widerstand?

21.01.2010 – 20.02.2010

Aus der Ortsgeschichte

 

Plötzensee! Schreckensort des staatlichen Mordens. Von 1933 bis 1945 wurden in der Berliner Haftanstalt 2891 Menschen umgebracht. Heute ist dieser Ort des Grauens eine Gedenkstätte. Auf den Gedenktafeln finden sich Namen wie Graf Schenk von Staufenberg und die vieler weiterer Widerstandkämpfer oder auch nur dem NS-Regime nicht Gleichgesinnten. Auch der Name Karl Bischoff ist in diesem Namensterminal vermerkt. Karl Bischoff ist am 26. Februar 1906 in Langensteinbach geboren und auch hier aufgewachsen. Seine Mutter war Langensteinbacherin, sein Vater stammte aus Spielberg. Nach seiner Berufsausbildung verließ er den Ort. Am 14. Februar 1938 meldete der Rundfunk, daß Karl Bischoff in Berlin wegen Spionage hingerichtet worden sei. Auch über die Presse wurde diese Nachricht verbreitet, wie aus einem Ausschnitt aus einer nicht genannten Zeitung in Berlin hervorgeht:

(Abschrift) Ein Verräter hingerichtet

- Berlin, den 14. Februar 1938. Die Justizpressestelle beim Volksgerichtsof teilt mit: Der am 15. September vom Volksgerichtshof zum Tode und zum dauernden Ehrverlust verurteile 31jährige Karl B i s c h o f f ist heute morgen hingerichtet worden. Der Verurteilte betrieb einen Hausierhandel in der Nähe der Grenze und befaßte sich mit Schmuggeln. Durch seine häufigen Grenzübertritte wurden die ausländischen Grenzbeamten auf ihn aufmerksam und führten ihn dem fremden Spoinagedienst zu. In dessen Auftrag unternahm Bischof f zahlreiche Ausspähungsreisen, auf denen er mit großem Eifer gegen geringen Verräterlohn Standorte und der Verteidigung von Land und Volk dienende militärische Anlagen und Einrichtungen und des deutschen Grenzlandes auszukundschaften suchte.

Nach dieser Meldung kommt anschließend ein Bericht, der die Bevölkerung des Ortes ganz einfach verstummen ließ: D e r d e u t s c h e S p i o n a g e a b w e h r d i e n s t sorgt dafür, dass jeden, der sich mit Spionage in Deutschland befaßt, die verdiente Strafe ereilt, den einen früher, den anderen später. Es mag hieran für den , der irgendwie mit dem ausländischen Nachrichtendienst in Berührung kommt, aber seinem Volk die Treue halten will, die dringende Mahnung geknüpft werden, sobald wie irgend möglich der deutschen Polizei Anzeige zu erstatten. Er erfüllt damit nicht nur eine selbstverständliche vaterländische Pflicht, sondern sichert auch sich selbst und seine Familie vor allen Folgen, die eine Nichterfüllung der Anzeigepflicht, oder eine Aufnahme von Beziehungen zur ausländischen Spionage nach sich ziehen.

Im Ort wurde über diese Angelegenheit nur getuschelt. Dass ein Spion zum Tode verurteilt wurde, hielt man allgemein für selbstverständlich. Heute weiß man, dass sehr schnell jemand in die Fänge der Geheimdienste geraten konnte. Und dass diese nicht gerade edle, humane Methoden anwandten, sondern erpresserisch vorgingen, ist auch bekannt. Möglicherweise wurde Karl Bischoff, bedingt durch seinen Handel, Opfer solcher Machenschaften. Ein Wehrmachtsangehöriger aus Langensteinbach konnte jedoch auch von einem Zusammentreffen mit ihm berichten. Er war mit seiner Truppe auf Manöver in Kehl. Karl Bischoff sei über die Brücke in Kehl gekommen und hätte ihn angesprochen und gefragt, was denn dieser Truppenaufmarsch zu bedeuten hätte. Das muss also vor der Verhaftung 1937 gewesen sein. Sicher war Karl Bischoff nicht der einzige Mensch am Oberrhein, dem die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen nicht gefielen. Doch wahrscheinlich äußerte er seine Meinung zu lautstark.

Die Art wie über die Person Karl Bischoff im Ort gesprochen wurde, lässt darauf schließen, dass er nicht gerade in das dörfliche Klischee passte. Schon der Beruf als Kaufmann und dass er überhaupt von zuhause wegging, machte ihn verdächtig. Dass auch die Familie geächtet wurde, ist jedoch nicht bekannt. Allgemein wusste das Volk nicht Bescheid über die Brutalität des Volksgerichtshofes und die Haftbedingungen im Block III der Haftanstalt in Plötzensee. Welchen schrecklichen Leidensweg Karl Bischoff zu gehen hatte von seiner Verhaftung bis zu seiner Hinrichtung kann nur erahnt werden.

Die Mutter von Karl Gebhardt wurde offenbar von der bevorstehenden Hinrichtung informiert. Bewohner der Ettlinger Straße sahen sie am Morgen des 14. Februar zum Haus des Zahnarztes Müller gehen. Dort hielt sie sich längere Zeit auf..Karl Müller war ein gläubiger Mann. Er leistete ihr sehr wahrscheinlich den so notwendigen seelischen Beistand.

Prozessakten konnten jetzt keine gefunden werden. Ob überhaupt welche angefertigt wurden oder ob sie nachträglich verschwunden sind, ist nicht bekannt. Aus solchen Akten wären jedoch mit Sicherheit nicht die Tatsachen zu erfahren. Wie die Wehrmachtsmeldungen so wurden bestimmt auch die Prozessakten des Volksgerichtshofes nach dem Wunsch des Regimes verfasst und nicht nach den tatsächlichen Begebenheiten.

Hildegard Ried