Karlsbader Mitteilungsblatt

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Wetterkapriolen vor über 400 Jahren

11.02.2014 – 28.02.2014

Aus der Ortsgeschichte

Während seiner geschichtlichen  Forschungsarbeiten hat sich Gerhard Beutelspacher eine umfassende Sammlung von alten Dokumenten zugelegt, in der sich immer wieder recht Interessantes finden lässt.  Aus der Württembergischen Großherzoglichen Chronik, die die Zeit umfasst von den Jahren 500 bis 1744 stammen die nachstehenden Wetteraufzeichnungen, die gerade jetzt zu dem etwas sonderbaren Winter passen.

Anno 1604 gab es einen späten Frühling, indem die Weinberge erst um Georgii anfiengen, sich zu treiben, es war auch dem Vieh zu lang, ein grosser Mangel an Futer, also dass die Wannen Heu 11 fl, und ein Sack voll Spreuer 10 Kr. gegolten.                

Anno 1605  ohnfreundlich, alle Thäler waren  mit überflüssigem Regen überschwimmet, der April setzte mit Frost und Reifen hart an, dass es übel abgegangen, wenn nicht allezeit Nebel draufgekommen; in dem Maimonat ist durch Hagel Straal und grosses Gewässer nicht geringer Schaden geschehen.

Anno 1606 in den Anfang dieses Jahres fielen gar viel Schnee auf einander, und er wurde so tief, daß man von einem Ort zu dem andern schäuflen, und Bahn machen muste, da viele Menschen, auch viele fruchtbare Bäume erfroren; um Liechtmeß aber ging dieser tiefe Schnee ohne Ergiessung der Wasser wieder ab. In dem Märzen gab es so viel starke Winde, die viele Bäume aus der Erden gerissen: um Johannis war viel Regenwetter, so Korn und Wein in dem Blühen hinderlich gewesen: an Laurentii Tag fingen schon Reifen an; so daß Wein und Holz, ehe es zeitig geworden, erfroren; die vermeinte beste Traube hat man daher abgelesen, die übrigen armen Leute gelassen.

Anno 1607 diesen Winter gab es wenig Schnee, und folgte darauf ein warmer Frühling; im Maien und Brachmonat gab es schwere Wetter mit Hagel.              

Anno 1608 diesen Winter gab es sehr viel Schnee und wurde so kalt, daß nicht nur die Weinberge, sondern auch die Bäume in warmen Thälern erfroren, auch hatte sich das Wasser also angeschwellt, daß in dem ganzen Neckarthal ein Eiß von einem Berg zu dem anderen war, die Früchte auf denen Alpen und Wäldern erstickten unter dem Schnee.

Anno 1609 war abermal ein kaltes Jahr, darinnen sich das Wetter wunderbar vermischet; um Liechtmeß war es so warm, daß man zeitige Erdbeer gefunden: bald war es wieder Winter, und der Frost setzte dem Wein hart zu:  Um Johannis gab es viel Regen, daß es nicht wohl geblühet; auch erfolgten viel schädliche Hagelwetter, welche die Winter- und Sommerfrüchte mehrmals wegnahmen; in dem Herbst gefrore es alle Nacht so hart: daß der Wein an Stöcken, in Zubern, und in den Keltern an denen Bütten alle gefroren, daß Eißzapfen eines Schuhs lang daran hingen; daher gab es wenig Wein, Rüben und Kraut und gar kein Obs,iedoch eine feine Ernde, daß der Scheffel um 5 fl zu bekommen gewesen.

Nach den Wettergeschichten kommen anschließend die Kosten für den Wein und für die Erntefrüchte in Fl = Gulden und Kr. = Kreuzer.

Hildegard Ried