Karlsbader Mitteilungsblatt

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Vor 70 Jahren

05.01.2015 – 31.01.2015

Aus der Ortsgeschichte

Das friedliche Weihnachtsfest 2014 hat auch Erinnerungen geweckt an die Zeit vor genau 70 Jahren, in der keine Weihnachtsfreude aufkommen konnte. In der Kirche durfte an Heilig Abend in Langensteinbach keine Christvesper stattfinden, da sie nicht sicher zu verdunkeln war. An Fliegerangriffe über Weihnachten kann sich niemand erinnern; hier wurde offenbar der Weihnachtsfrieden eingehalten. Doch die Angst vor einer solch tödlichen Bedrohung wich auch während  der Feiertage nicht. 1944 war ein schreckliches Jahr. Nachts bedrohten die englischen Bomber die Städte und tags kamen die amerikanischen Jagdflieger und brachten auch der Landbevölkerung Angst und Schrecken. Viele erinnern sich noch an den 19. Juli 1944.  Am helllichten Tag zogen Schwärme von Bombern von Westen nach Osten,   die von unten wie unzählige Vogelschwärme aussahen. Sie transportierten mit tiefem Brummen ihre tödliche Last nach München. Wie später zu erfahren war, waren es 700 amerikanische Liberator-Bomber, die in England gestartet waren und die ihren Anflug über unser Gebiet nahmen. Das  waren also ausnahmsweise Amerikaner, die grundsätzlich nur  bei Tag flogen, während die Engländer nur nachts ihre Bombenlast brachten. 

So oft war Fliegeralarm, was auch für die Kinder bedeutete, dass sie ihren Schlaf unterbrechen mussten, um in irgendeinem Keller den Angriff zu überstehen. Meistens gab  es dann keinen Schulunterricht am Tage nach einer solchen Schreckensnacht, denn unausgeschlafen und wirklich hundemüde hätte auch der beste Unterricht nichts genützt. Oft waren auch die Fensterscheiben der Schule zertrümmert. In Erinnerung blieb der Angriff auf Karlsruhe am Abend des 4. Dezember. Einer dieser Bomber lud seine tödliche Last über Auerbach ab. Eine Bombe traf das Haus Bodemer, in dessen Keller die Mutter Bodemer mit ihren neun Kindern saß. Nur ein Sohn überlebte.

Wenn auch Krieg war, das Feld musste bestellt werden, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern und eine große Hungersnot zu vermeiden. Oft mussten die Leute, die auf dem Feld arbeiteten, unter einen Baum flüchten, wenn plötzlich die amerikanischen Jagdbomber auftauchten. Während der Kartoffelernte tarnte man sich auch mit einem leeren Sack, der immer bereit lag. Es ist nicht bekannt, dass jemand, der hier auf dem Feld arbeitete, von Tieffliegern angegriffen bzw. beschossen wurde.  Sehr schnell waren die amerikanischen Jagdbomber und flogen sehr tief, gerade über die Bäume hinweg. Sie haben die Menschen unter den Bäumen oder die mit einem Sack zugedeckten Personen sicher gesehen. Sie hatten allerdings den Befehl, Fabrikanlagen und Eisenbahnzüge zu beschießen oder mit ihren beiden Bomben, die gut sichtbar auf der Unterseite der Jabo befestigt waren, zu bombardieren. Doch nicht in allen Jabos saßen mordlustige Flieger. Dass sie auf harmlose auf dem Feld Arbeitende schossen, gab es jedoch schon.                        

In bester Erinnerung blieb allen, die es erlebt haben, ein  frostiger Tag  im Januar. Kurz unterhalb des Hauses Denninger in der Weinbrennerstraße hatte sich ein kleiner See gebildet, der zugefroren war. Eine große Schar von Kindern befand sich auf der Eisfläche zum Schleifen oder Schlittschuhfahren. Plötzlich tauchten zwei Jagdbomber auf, überflogen sehr tief die Eisfläche mit den vielen Kindern, wendeten über dem Eichbusch und kamen sofort wieder zurück. Die Kinder flüchteten in die Dreschhalle und legten sich, wem es noch möglich war, unter die Dreschmaschine. Das hätte vielleicht bei einem Beschuss etwas genützt, doch die beiden Jabo hatten noch ihre zwei Bomben auf der Unterseite hängen. Bei einem Bombenabwurf hätte dieser Unterschlupf absolut keine Sicherheit geboten.  Zum Glück schossen die Jagdflieger nicht auf die Kindern, als sie wieder über die Eisfläche zurück flogen, und sie nahmen auch ihre Bomben mit.

Ja, die Winterfreuden lockte auch im Krieg die Jugend heraus aus den Häusern auf die verschneiten Wege und Straßen. Am Abend des 17. Januar hatte eine Gruppe Jugendlicher die Straße vom Dreieichenbuckel zum Auerbach hinunter als Schlittenbahn gewählt. Ein Meldefahrer der Wehrmacht kam ihnen entgegen. Da er selbstverständlich ohne Licht fahren musste, erkannten sie die Gefahr nicht und rammten das Motorrad. Eine 15-Jährige wurde dabei verletzt und danach mit einem Pferdewagen in das Krankenhaus nach Pforzheim transportiert. Dort starb sie zwei Tage später. Sie wurde also auch zum Kriegsopfer.

Es war auch im Januar, dass der Geschützdonner immer lauter zu hören war. Tagtäglich bei Tagesanbruch fing es an zu wettern. Das ging so zwei  bis drei Wochen lang. Es war drüben im benachbarten Elsaß, wo sich die Wehrmacht  in den Dörfern einnistete und so die Bevölkerung als Schutzschild nahm. Der Krieg rückte also immer näher.  Man wusste schon lange, dass es keinen Endsieg mehr geben konnte und wartete sehnlichst auf das Ende dieses grausigen Geschehens.  

Über die letzte Kriegszeit und das Kriegsende vor 70 Jahren wird gesondert berichtet.

Hildegard Ried