Karlsbader Mitteilungsblatt

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Vor 70 Jahren

10.03.2015 – 17.03.2015

Aus der Ortsgeschichte

„Auch draußen im Wald gingen Bomben nieder. Es muss so Anfang 1945 gewesen sein. Hinter dem Bibelheim am Waldrand zum Etzenroter Eck gingen eine Luftmine nieder und mehrere Sprengbomben. Die Luftmine riss die Bäume auf halber Höhe ab. Die Bomben gruben tiefe Trichter in den Waldboden. Im Ort zerbarsten zahlreiche Fensterscheiben.“ So lautet die kurze Notiz in „Die Karlsbader Orte im Krieg“.  Ergänzend gibt es noch einiges dazu zu erzählen, denn dieser sonderbare Bombenabwurf verbreitete nicht nur Schrecken, sondern löste auch Erstaunen aus.

Wir selbst lagen noch im tiefen Schlaf, als eine furchtbar lauter Knall, und mehrere mächtige Detonationen das ganze Haus erschütterte. Fensterscheiben zerbarsten. Jetzt wird Langensteinbach bombardiert, war unser erster Gedanke. Doch nach diesem Schrecken war wieder Ruhe. Und danach wurde gerätselt und sonderbare Meinungen geäußert. Z.B. Die waren doch recht blöd. Konnten sie denn nicht sehen, dass da überhaupt keine Häuser sind, sondern nur Wald? Oder hatte da draußen vielleicht einer mit einer Laterne hantiert? Oder war vielleicht ein Auto unterwegs? Letzteres wäre jedoch auf dem aufgeweichten Waldboden bestimmt nicht möglich gewesen, denn der Tannenwaldweg war dort draußen nicht befestigt.

Vielleicht wollte man das Bibelheim bombardieren und hat es nur verfehlt? Das Bibelheim trug auf dem Dach ein großes Rotes Kreuz, da es Anfang des Krieges als Lazarett vorgesehen war und auch kurze Zeit so genützt wurde. Dieses Rote Kreuz wurde meistens beachtet. Es wurde auch vermutet, dass über dem Bibelheim Christbäumchen gestellt wurden, und der Wind sie abtrieb. Doch da hätte starker Ostwind wehen müssen, um diese Markierungen nach Westen zu treiben. Und meistens kommt ja der Wind von Westen.

Die Bäume ohne Gipfel und die großen Bombenlöcher waren nun oft das Ziel eines Sonntagspazierganges. Und dabei wurde dann weiter gerätselt und über die dumme Besatzung des Bombers gelacht. Doch wie später zu erfahren war, gab es auch in diesen Bombern Menschen, denen es schwer fiel, ihre Befehle zu befolgen. Sie erledigten sich ihrer todbringenden Last dort, wo sie niemand schaden konnte.

Was bei mir selbst mehr und mehr Fragen aufwarf war, dass wir im Bett von der Explosion überrascht wurden und nicht im Sonnenkeller waren.  In Langensteinbach gab es keine Sirenenwarnung während des Krieges. Ich kann mich allerdings noch gut an gewisse Sirenenproben Anfang des Krieges erinnern, bei denen die Sirenen meist nur  recht kurze, jämmerliche  Töne von sich gaben.  Doch bei großen Fliegeralarmen blieben sie still. Man hörte nur die Sirenen der umliegenden Orte oder die Fabriksirenen vom Albtal her. Der Fliegeralarm wurde nämlich von der Zentrale irgendwo im Land direkt zum Sägewerk gemeldet. Herr Hummel stellte dann sofort den Strom ab. Das gewährte, dass kein Lichtstrahl, der das Dorf verraten könnte, nach oben fiel. Vom Sägewerk aus wurde der Ort nämlich mit Strom versorgt. Vielleicht ertönten die Sirenen deshalb nicht, vielleicht waren sie auch nur defekt. Nach dem Krieg wurden die Sirenen bald wieder repariert und waren einsatzbereit. Jetzt mussten sie nur noch bei Bränden ihre grelle Stimme ertönen lassen.

Hildegard Ried