Karlsbader Mitteilungsblatt

ARCHIV: Redaktionelle Berichte

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Vor 70 Jahren

24.03.2015 – 07.04.2015

Ostersonntagmorgen

Es war der 1. April 1945 und trotz herrlichem Frühlingswetter konnte keine Osterstimmung aufkommen. Dekan Walter aus Reichenbach schrieb in seinem Bericht vom 2. April: „…Nachzutragen ist noch, daß  am Karsamstag Nachmittag Langensteinbach durch Bombenwürfe und Bordwaffen  von Tieffliegern angegriffen wurde. Es gab  einige Tote, darunter ein polnischer Zivilarbeiter, den ich am Ostersonntag Abend in Langensteinbach beerdigte.“ Das war Marian Suchecci, der wie seine polnischen Kameraden oft zum Gottesdienst nach Reichenbach ging.

Es war einfach alles traurig. Man wusste und hoffte es auch, dass die Front nicht mehr weit ist, dass endlich dieser Spuk bald vorüber sein wird. Deutsche Soldaten kamen durchs Dorf. Sie waren behängt mit Handgranaten und schleppten meistens Panzerfäuste mit sich, doch ihre Kleidung war mehr als abgenützt. Die Schuhe sah man oft mit Schnüren zusammengebunden.

 Nur ganz selten war noch ein Militärfahrzeug zu sehen. In der Woche nach Ostern erschien am Himmel ein kleines Flugzeug mit deutschem Hoheitszeichen.Ich höre noch Frauen sagen: „Was will denn der do drowe?“

Deutsche Flugzeuge waren nämlich damals nicht mehr zu sehen. Plötzlich war ein amerikanischer JaBo bei dem deutschen Flieger. Sie schossen oben in der Luft aufeinander, drehten und schossen wieder. Die Feuerstrahlen waren diesmal nicht auf den Boden gerichtet, es war ein richtiger Luftkampf. Wir hofften, dass der deutsche Flieger nicht beschädigt würde. Doch auf einmal schoss er nicht mehr. Rauch kam aus dem Flugzeug, und es trudelte ab. Alle hofften, dass sich der Pilot mit dem Fallschirm retten könnte. Doch das Flugzeug  trudelte  in den Wald draußen in den „Köpflen“  und bohrte sich bei den Mittelswiesen in den Waldboden ein. Der sehr junge Pilot wurde tot in seinem Flugzeugwrak gefunden. Derjenige, der ihm den Befehl gab, zu dieser Zeit so einsam noch unser Gebiet zu überfliegen, wusste ganz genau, dass das zu einer Himmelfahrt werden wird.

Am 3. April ludt ein JaBo seine beiden Bomben vor dem Forsthaus ab und ein anderer JaBo setzte eine Bombe vor das Haus Denninger in der Hirtenstraße und die zweite Bombe  hinter das Haus.  

Es war der 5. April. Wieder kam ein JaBo von Westen her über das Dorf.

Plötzlich lösten sich die beiden Bomben von seiner Unterseite. Eine der Bomben schlug  im Haus Schaudel am Anfang der Wilferdinger Straße ein und töteten alle vier Familienmitglieder, die gerade auf der Staffel standen. Die zweite Bombe ging in das angebaute Haus Rühle, durchschlug dort ein Bett und trat wieder nach draußen, wo sie im Grundstück Löhle stecken blieb und nicht detonierte.  Die Getöteten waren zerfetzt, so dass sich in den Trümmern immer wieder Leichenteile fanden.

Am 7. April schickten dann anrückenden feindlichen Truppen ihre Grüsse von Süden her in Form von Granaten. Dieser kurze Angriff war schnell vorüber. Sie beschädigten Häuser im Unterdorf. Ob sie die Deutschen, so fluchtartig durchs Dorf ziehenden und ziemlich  heruntergekommenen Truppen treffen wollten, war hier die Frage. Das höchste, was die deutschen Soldaten an Fahrzeugen besassen, war ein Fahrrad.  Sehr oft waren diese Fahrräder ohne Luft in den Reifen und dienten nur als Transportmittel für die Panzerfäuste. Auffallend waren die vielen Buben in ihren viel zu großen Uniformmänteln. Und das in  den recht warmen Frühlingstagen. „Die arme Büblen, was des bloß sei soll, was des bloß gewe soll“, war ein Satz, der immer wieder zu hören war.

Wohl kaum jemand legte sich an diesem Abend in sein Bett. Die meisten gingen gleich in ihren Luftschutzkeller und verbrachten dort eine angstvolle Nacht.