Karlsbader Mitteilungsblatt

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Vor 70 Jahren - schreckliche Befehle

27.04.2015 – 05.05.2015

Aus der Ortsgeschichte

Der Befehlshabende  der kleinen Flak-Einheit, die bei Langensteinbach am 6. April angegriffen wurde, war Leutnant Fritz. Eine Langensteinbacherin traf ihn in Ittersbach am Heerweg, wo diese Truppe jetzt Stellung genommen hatte. Er sprach von Beschießen von Langensteinbach und erklärte ihr dazu, dass seine Geschütze zwar nach Langensteinbach zu schießen hätten, dass sie jedoch über das Dorf hinweg feuern würden, z.B. in die Nähe der Dreschhalle unterhalb des Ortes. Er gab damit also zu verstehen, dass er das Dorf  verschonen wolle. Aus dieser Aussage ist auch zu schließen, dass er den Befehl hatte, Langensteinbach zu beschießen.

Der Befehlshaber der gesamten deutschen Truppen in unserem Bereich war General-Major Seidel. Er war einer der hohen Offiziere,  die Karlsruhe  am 4. April kampflos übergaben und wurde deshalb im Sperlingshof bei Wilferdingen vor das dort stationierte Kriegsgericht gestellt. Zu einer Verurteilung oder Urteilsvollstreckung kam es nicht, da die französischen Panzer schon in nächster Nähe waren. General-Major Seidel konnte danach seinen Befehlsstand auf dem Dobel in der Försterei Eschbach einrichten. Allerdings war er nicht mehr allein. Ihm wurde offenbar ein einflussreicher hoher Offizier beibeordert. Wer nun das Sagen hatte, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Auf jeden Fall kam vom Dobel der Befehl an die in der Nähe stationierten Stellungen, Langensteinbach in Brand zu schießen. Davon berichtete auch der aus Karlsruhe stammende  Hauptmann Zimmermann, der auf dem weiteren Rückzug einen Langensteinbacher traf und ihm von diesem schrecklichen Befehl erzählte.

Er selbst saß am Ittersbacher Berg oberhalb Langensteinbach auf einem Baum und sollte das Feuer direkt in das Dorf  hineinleiten. Diesen Befehl zu befolgen, war ihm nicht möglich, auch schon deshalb nicht, weil seine Familie in Langensteinbach wohnte. Sie wurde aus Karlsruhe nach hier evakuiert.

Um nun nach Dobel ein Feuer nachweisen zu können, lenkte er die Geschosse ins Sägewerk hinein. Deshalb brannte das Sägewerk nieder. Selbst die französischen Soldaten konnten diesen Brand nicht verstehen und schüttelten nur den Kopf darüber.

Hauptmann Zimmermann hatte den Krieg überlebt und konnte nach Hause zurückkehren. Leutnant Fritz ist in Ittersbach gefallen und hat dort seine letzte Ruhestätte. General-Major  Seidel und sein Begleiter oder Bewacher kamen oberhalb  Conweiler an der Straße von der Schwanner Warte nach Neusatz

einem Trupp Fremdenlegionäre in die Quere und starben dort im Kugelhagel.

Der befehlshabende Offizier dieser französischen Truppe kam einige Male nach Conweiler an das Grab von General-Major Seidel. Er konnte bestätigen, dass Seidel nicht von seinen eigenen Leuten erschossen wurde, wie zuvor immer wieder behauptet wurde, sondern wirklich im Krieg gefallen ist.  

Hildegard Ried