Karlsbader Mitteilungsblatt

ARCHIV: Heimatverein Karlsbad

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HEIMATGESCHICHTLICHES aus LANGENSTEINBACH

19.11.2017 – 31.12.2017

Eine Familie verschweigt ihre Auswanderer

 Im November 1857 musste der Langensteinbacher Ratschreiber folgenden Bericht an das Großherzogliche Oberamt verfassen:

„Gehorsamster Bericht des Gemeinderath die Auswanderung des Phillipp u. Michael Ried betr.

Vor dem Gemeinderath erscheint der hiesige Bürger Georg Merkle als Bevollmächtigter nach beigelegter Vollmacht der Phillipp u. Michael Ried und tragt vor, daß dieselben schon vor 18 (es kann auch 13 heißen) Jahr nach Nordamerika gegangen sind, und bitten daher um Auswanderungserlaubniß aus dem Staatsverband und Abzug ihres Liegenschaftlichen Vermögen.

Von seiden des Gemeinderath steht gegen dieses ansuchen nichts im Wege, so wird so dann ein Großherzogl. Oberamt Gehorsamst gebetten den obgenannten die Auswanderungserserlaubniß aus dem Staatsverband und Wegzug ihres Vermögens die Genehmigung hiezu gefälligst zu ertheilen.“

Bürgermeister Kirchenbauer sowie die beiden Gemeinderäte Kraft Uckele

und P.S.(?) Kies unterschrieben den Antrag.

Georg Merkle war der Halbbruder von  Michael Ried, dem Vater der beiden Auswanderer. Die Mutter war Catharina geborene Schaudel.

 In  dem Hungerjahr 1847 stellten ungefähr 10 Familien den Antrag auf Genehmigung zur Auswanderung. Sieben davon sind in einer Akte zusammen vermerkt, unter ihnen der Sattler Georg Ried mit Familie. Er war der Bruder der vorgenannten Philipp und Michael Ried.  Seine Ehefrau war Katharina geborene Nagel. In einem Auszug aus dem Geburts- und Taufbuch vermerkte Pfarrer Salzer auch die Kinder des Ehepaares:  Maria Katharina geboren am 23. Juni 1836, Margaretha geboren am 23. Juni 1838 und Georg geboren am

18. September 1844. Das jüngste Kind war also noch keine drei Jahre alt, als es auf einem Segelschiff den Atlantik überqueren musste.

Drei Söhne und drei Enkelkinder verloren die Eheleute Michael und Catharina Ried durch die Auswanderung. Die Geschwister der Auswanderer redeten offenbar nie darüber und auch nicht ihre Nachkommen. Die Auswanderer waren fort und vergessen. Vielleicht hatte auch die Forderung zur Nachsendung des Erbteiles – es musste in bar überwiesen werden – große  finanzielle Sorgen und viel Ärger verursacht.

Im vergangenen Oktober besuchte eine Nachkommin des Michael Ried den Ort ihrer Vorfahren. Sie konnte berichten, dass alle drei Ried-Brüder sich in Monroe in Michigan niederließen, in oder bei dem Ort, bzw. Bezirk, den die meisten Langensteinbacher Auswanderer als ihre neue Heimat auswählten. (HR)