Karlsbader Mitteilungsblatt

ARCHIV: Amtliche Bekanntmachungen

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Rundverfügung Nr. 82

01.09.2022 – 30.09.2022

Ihr Amt für Umwelt und Arbeitsschutz informiert:


Umwandlung von geschützten Streuobstbeständen nach § 33a Naturschutzgesetz (NatSchG)


Erfassungskriterien von geschützten Streuobstbeständen

Streuobstbestände im Sinne des § 4 Abs. 7 des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG)
sind....eine historisch gewachsene Form des extensiven Obstbaus, bei dem großteils starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume in weiträumigen Abständen stehen. Charakteristisch für Streuobstbestände ist die regelmäßige Unternutzung als Dauergrünland. Daneben gibt es Streuobstäcker mit ackerbaulicher oder gärtnerischer Unternutzung, Streuobstalleen sowie sonstige linienförmige Anpflanzungen. Häufig sind Streuobstbestände aus Obstbäumen verschiedener Arten und Sorten, Alters- und Größenklassen zusammengesetzt. Sie sollten eine Mindestflächengröße von 1500 qm umfassen. Im Unterschied zu modernen Obst-Dichtpflanzungen mit geschlossenen einheitlichen Pflanzungen ist in Streuobstbeständen stets der Einzelbaum erkennbar."
Geschützte Streuobstbestände sind somit Flächen mit einer Mindestgröße von 1.500 qm, welche hautpsächlich mit Obstbäumen von mindestens 1,40 m Stammhöhe in lockeren Abständen bepflanzt sind. Obstbäume unter 1,40 m Stammhöhe sowie Freiflächen zwischen den Obstbäumen werden miteinbezogen, wenn sie zu der Funktion des Streuobstbestandes beitragen. Zu den Freiflächen können auch Wege, Ackerflächen etc. zählen. Die Abgrenzung des Streuobstbestandes ist nicht abhängig von z. B. Flurstück- oder Schlaggrenzen, Unterwuchsveränderungen oder Bewirtschafterzugehörigkeit. Ausschlaggebend für die Abgrenzung des Streuobstbestandes ist somit nur, ob Teilbereiche innerhalb sowie zwischen Streuobstbeständen den naturschutzfachlichen Funktionen (Mikroklima, Funktionalität als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Erholungsfunktion, Bodengefüge etc.) dienen.

Umwandlungsgrundlagen 
Für die Umwandlung eines Streuobstbestandes in eine andere Nutzungsart, z. B. zur Bebauung oder bei Entnahme von Einzelbäumen bzw. Baumreihen (ausgenommen abgängige Bäume) ist zwingend eine Genehmigung einzuholen. Vor Umwandlung ist ein Antrag bei der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde zu stellen.
Für Bebauungspläne gilt, dass die Inanspruchnahme des Streuobstbestandes nur dann möglich ist, wenn zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine naturschutzrechtliche Genehmigung nach § 33a Abs. 2 NatSchG vorliegt bzw. die Genehmigung in Aussicht gestellt werden kann. Dies gilt auch für Bebauungspläne, welche sich noch innerhalb der Aufstellung befinden. Ausgenommen sind nur Bebauungspläne, welche im Juli 2022 bereits beschlossen waren.
Zu beachten ist vor allem die rechtliche Vorgabe nach § 33a Abs. 2 Satz 2 NatSchG:
„Die Genehmigung soll versagt werden', wenn die Erhaltung des Streuobstbestandes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Streuobstbestand für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder für den Erhalt der Artenvielfalt von wesentlicher Bedeutung ist."
Ergänzende Informationen der Unleren Naturschulzbehörde Landkreis Karlsruhe
Eine Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde kann somit nur dann erteilt werden, wenn die Bedeutung der geänderten Nutzung aus dem Blickwinkel des öffentlichen Interesses mindestens ebenso groß ist wie die des Streuobstbestandes. Im Ausnahmeantrag muss daher plausibel dargelegt werden, inwiefern das geplante Vorhaben vorrangig gegenüber dem Streuobstbestand ist.

Inhalte Ausnahmeantrag
1. Angabe zur Notwendigkeit der Inanspruchnahme, d. h. Kriterien für die Bedeutung des Vorhabens:
• Umfang der Inanspruchnahme (z. B. Wohnraumbedarf, Warteliste bauwilliger Interessenten
• Vorgaben zur geplanten Umsetzung (z. B. Umlegungsverfahren, Rodungszeitraum, etc.)
• bereits weitere Umwandlungsverfahren in der Gemeinde vorhanden, die ggf. diese Fläche beinhalten

2. Angaben zum Wert des Streuobstbestandes für den Naturhaushalt, d h. Kriterien zum Erhalt des Streuobstbestandes:
• Größe und Alter des betroffenen Streuobstbestandes sowie der verbleibenden Streuobstbestände
• Vorkommen vergleichbarer Bestände im Umfeld
• Besonderheiten des Bestandes (z. B. Sorten, etc.)
• Bedeutung für die Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG)
• Eignung als Lebensraum streng/besonders geschützte sowie Rote-Liste Arten
• tatsächliches oder zurückliegende Vorkommen von Arten
• Bedeutung der Art-Vorkommen auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene
• Bedeutung für den Biotopverbund
• Auswirkungen auf das Landschaftsbild

3. Alternativenprüfung mit konkret geprüften Beispielen (Innenwicklung, andere Flächen)
Die Beispiele müssen im Antrag aufgeführt und erläutert sein.

4. Ausgleichskonzept mit:
• Vorgabe Größe und Lage der neu zu entwickelnden Fläche.
• Im Landkreis Karlsruhe wird ein Ausgleich mit Faktor 1:1 angesetzt. Aufgrund von Timelag oder bei hochwertigen Streuobstbeständen muss je nach Bestand von einem höheren Ausgleichsfaktor ausgegangen werden.
• „Generell ist zu beachten, dass alte und etablierte Streuobstbestände regelmäßig einen höheren Wert für den Naturhaushalt haben als neu angelegte Bestände. Durch eine Rodung entsteht daher in der Regel ein Timelag, der in der Praxis mehrere Jahrzehnte dauern kann. Bei der Planung des Ausgleichs ist dieser Timelag zu berücksichtigen. Hierbei können von Amts wegen auch Vorgaben (als Nebenbestimmungen zur Genehmigung) zur Qualitätssteigerung festgelegt werden. Hierbei sind beispielsweise der Erhöhung der Fläche oder Anzahl der Bäume auch die Versetzung von Totholz bzw. Höhlenbäumen, die Herstellung von Nistkästen, aber auch die Lage der Ausgleichsfläche (z. B. im Biotopverbund) denkbar." (Vollzugserlass zum Schutz von Streuobstbeständen: Ermessenskonkretisierende Hinweise zur Anwendung von § 33a Abs. 2 NatSchG vom 19. April 2022, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft).
• Der Streuobstbestand sollte möglichst an einem Stück hergestellt werden. Ist dies nicht möglich, sind Trittsteinflächen im näheren Umfeld vorzusehen, die eine Verbindung zwischen den Teilflächen schaffen. Auseinanderliegende Streuobstreihen, welche nicht als geschützter Streuobstbestand anzusehen sind, werden .nicht als Ausgleich gewertet. Dasselbe gilt für Revitalisierungsmaßnahmen von noch funktionsfähigen Streuobstbeständen.
• Vorgabe zum Zeithorizont der Herstellung der Ausgleichsfläche.
• Vorgabe Baumanzahl und Qualität (Stammhöhe, Sämlingsunterlage etc.).
• Hier sieht der Landkreis Karlsruhe mindestens dreimal verpflanzt mit einem Stammumfang von 12-14 cm als sinnvoll an.
•Vorgaben zur Baumpflege.
• Die Pflege muss immer dauerhaft gesichert sein.
• Vorgaben zur Gestaltung des Unterwuchses und dessen Pflege.
• Verbote (z. B. Düngung, Pflanzenschutzmittel etc.).
• Ggf. Einbezug Biotopverbund z. B. als Trittsteinbiotop.
• Ggf. Nisthilfen, Umsetzung von Höhlenbäumen etc. um gleichartige Wiederherstellung zu gewährleisten.
• Monitoringkonzept.

Bei Fragen oder Unklarheiten wenden Sie sich bitte per E-Mail an die Untere Naturschutzbehörde: naturschutz@landratsamt-kaflsruhe.de