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Gemeindetag fordert Stärkung der Planungshoheit für Kommunen, um schnell Wohnraum zu schaffen

01.10.2018 – 31.12.2018

Fehlender Wohnraum ist eine der zentralen politischen Herausforderungen im Land. Der Gemeindetag Baden-Württemberg hat deshalb im Rahmen der Sitzung seines Landesvorstands in Rust (Ortenaukreis) ein Positionspapier zur Gewinnung von neuem Wohnraum beraten. Zur Unterstützung seiner Wohnrauminitiative plant der Verband nun Gespräche mit weiteren Kooperationspartnern aus Wirtschaft und Gesellschaft. Gemeindetagspräsident Roger Kehle resümierte die Botschaft der Mitglieder des Landesvorstands seines Verbands: „Wenn wir jährlich mehr als 65.000 zusätzliche Wohnungen in Baden-Württemberg brauchen, müssen wir aufhören, nur zu diskutieren. Land und Bund müssen endlich die rechtlichen Hürden abbauen, die die Städte und Gemeinden daran hindern, neue Flächen für Wohnraum auszuweisen.“

Dauerhafter Wohnraummangel führt zu sozialer Verdrängung und droht, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden. Darüber waren sich alle Oberbürgermeister und Bürgermeister, die ihre Kreisverbände im Landesvorstand des Gemeindetags vertreten, einig. Zwar befürworten die kommunalen Vertreter die Zielsetzung der Wohnraum-Allianz im Land, überall dort wo möglich, einen großen Teil der benötigten Wohnflächen durch Innenentwicklung, Aufstockung oder Nachverdichtung zu realisieren. Sie weisen aber darauf hin, dass diese Potenziale eng begrenzt sind. „Wir müssen offen und ehrlich sein: Alle Brachflächen werden wir nicht bebauen können. Und es wird uns auch nicht möglich sein, jedes Gebäude aufzustocken. Ohne neue Wohnbauflächen wird es uns nicht gelingen, dafür zu sorgen, dass mehr als 800.000 Menschen im Land in absehbarer Zeit eine adäquate Wohnung bekommen“, sagte der Präsident des Gemeindetags in Rust. Im Positionspapier des Verbands fordern die Vertreter der Städte und Gemeinden deshalb, die Planungshoheit der Kommunen wieder zu stärken. Diese wurde in den vergangenen Jahren immer weiter eingeschränkt. Immer mehr raumplanerische Entscheidungen werden überörtlich getroffen, die Kommunen können kaum noch perspektivisch und bedarfsgerecht Flächen ausweisen. „Es muss wieder geübte Praxis werden, dass Städte und Gemeinden nicht erst dann mit der Entwicklung eines Flächennutzungsplans starten, wenn ein konkreter Bedarf festgestellt wird. Wir müssen dringend wieder in die Lage versetzt werden, perspektivisch zu planen, um bei Bedarf genügend Potenzialflächen zu haben“, erklärte Kehle.

Bürgerbeteiligungsverfahren komprimieren

Der Gemeindetag hatte bereits vor drei Jahren befürchtet, dass die Änderung der Gemeindeordnung von 2015 den Wohnungsbau erheblich bremsen würde. Mehrfach hatten die Verbandsgremien davor gewarnt, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gegen den Aufstellungsbeschluss von Bauleitplänen zuzulassen. Zahlreiche Beispiele aus den letzten Jahren belegen, dass Bauprojekte dadurch nicht realisiert werden konnten. „Es hat sich eine Art Verhinderungsdemokratie entwickelt“, erklärt der Gemeindetagspräsident und fügt hinzu, was besonders bedenklich an dieser Entwicklung ist: „Bei den Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden dürfen nur diejenigen abstimmen, die schon vor Ort wohnen, nicht aber diejenigen, die dort wohnen wollen.“ Der Landesvorstand des Gemeindetags fordert deshalb in seinem Positionspapier die Landesregierung auf, die Änderung der Gemeindeordnung wieder zurückzunehmen. „Die Gemeinderäte haben bei der Aufstellung neuer Bebauungspläne schon immer intensiv die Meinungen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt. Wir müssen die Bürgerbeteiligung deshalb wieder auf ein Maß komprimieren, dass den Anliegen der bereits im Ort wohnenden Bürger gerecht wird und gleichzeitig ermöglicht, neuen Wohnraum zu schaffen.“

Beschleunigtes Verfahren nach §13 b Baugesetzbuch (BauGB) entfristen

Als echte Verbesserung werten die Landesvorstandsmitglieder des Gemeindetags den § 13b BauGB, der durch ein beschleunigtes Bauverfahren im ortsnahen Außenbereich gezielt dafür sorgt, dass neuer Wohnraum geschaffen werden kann. Da der Bedarf an Wohnungen weiter wachsen wird, fordern die Kommunen die Entfristung des nur bis Ende 2019 gültigen § 13b BauGB.

Kommunale Planungsträger im Agrarstrukturverbesserungsgesetz Bund und Ländern gleichstellen

Die aktuelle Rechtslage macht den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen außerhalb bestehender Bauleitpläne nahezu unmöglich. Diese sind aber häufig notwendig, um die für die Genehmigung der Bauleitplanung von Wohnflächen notwendigen Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Die Befreiungen im Agrarstrukturverbesserungsgesetz, die für Bund und Länder gelten, müssen deshalb auch auf die Kommunen ausgeweitet werden, damit diese beim Wohnungsbau nicht ausgebremst werden.

Anforderung des Artenschutzes zeitlich befristet flexibilisieren

Artenschutzrechtliche Untersuchungen gehören zu den Faktoren, die den Wohnungsbau zeitlich verzögern oder sogar verhindern können. Der Gemeindetag fordert deshalb in seinem Positionspapier eine zeitlich befristete Flexibilisierung der Anforderungen des Artenschutzes. Alternativ wäre denkbar, eine mobile Bewertungskommission zu Fragen des Arten- und Umweltschutzes und zur Festlegung von Ausgleichsmaßnahmen zu etablieren, die in kürzerer Zeit die arten- und umweltschutzrechtlichen Notwendigkeiten festlegt.