Karlsbader Mitteilungsblatt

ARCHIV: Heimatmuseum

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Heimatverein Karlsbad

18.04.2021 – 30.04.2021

100Jahre elektrischer Strom in Ittersbach

-          Licht auf Schalterdruck -

Heute vor 100 Jahren, am 21. April 1921, floss erstmals Strom nach Ittersbach. Geliefert wurde der Strom vom „Murgwerk Forbach“, dem späteren Badenwerk. Über‘s Stromhäusle (= Umspannstation Milchzentrale) wurde der Strom im Dorf verteilt. Maurermeister Gieck und sein Gehilfe Christian Dennig erbauten die gemauerte Turmstation in den Jahren 2019 bis 2021. Das sanierungsbedürftige Stromhäusle wurde 2017 abgerissen. Heute erinnert eine Informationstafel in der Pfinztalstraße an das Stromhäusle.

Die Ittersbacher beleuchteten bis dahin ihre Stuben mit Kerzen, Petroleum- oder Karbidlampen. Obwohl die Elektrizität „Licht auf Schalterdruck“ versprach, waren die Bürger davon anfangs wenig begeistert und hatten Angst vor der „drastisch erhöhten Feuergefahr“. Gemeinderat und Bürgerausschuss versuchten deshalb, den Bürgern die elektrische Energie mit Zuschüssen schmackhaft zu machen. Dem Gemeinde-Rechnungsbuch aus dieser Zeit ist folgendes zu entnehmen:
„Laut anliegendem Beschluss des Bürgerausschusses vom 4. August 1920 erhält jeder Hausbesitzer der Gemeinde Ittersbach einen Zuschuss für die Einrichtung des elektrischen Lichtes, und zwar derjenige, der im ersten Stock nicht weniger als zwei Lichter einrichtet, 500 Mark, derjenige der im 2. Stock eine Lampe einrichtet, 150 Mark, und richtet er mehrere Lichter ein, so erhält er den Höchstbetrag von 300 Mark für den 2. Stock.“
Einer der ersten Bürger, der diesen Zuschuss erhielt war der Maurer Friedrich Karcher. Die Hausanschlüsse führte die Firma Engel aus Pforzheim aus, für die der Elektroinstallateur Friedrich Schneider aus Nöttingen die Hausleitungen verlegte. Während dieser Zeit lernte er Luise Rüffle kennen, die er 1923 heiratete. Von nun an las die Familie Schneider die Stromzähler ab und kassierte für das Badenwerk das „Lichtgeld“. Die anfallenden Reparaturen erledigte „da Liecht Schneida“ – wie ihn die Ittersbacher nannten - ebenso.

Obwohl unsere Vorfahren anfänglich der Elektrizität misstrauisch gegenüber standen, lernten sie die neue Technologie schnell zu schätzen. Die mühevolle und oft harte Handarbeit im Haushalt, auf den Feldern  oder in gewerblichen Betrieben wurde durch die elektrische Energie deutlich erleichtert. Mit dem flächendeckenden Einzug des Stroms in die Dörfer zu Beginn der 1920-er Jahre verbesserten sich die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung erheblich; technischer Fortschritt zum Wohle der Menschen.

Heute – 100 Jahre später –  ein Leben ohne Strom? Unmöglich!
Nicht nur das Licht ginge aus, die Lebensmittel im Kühlschrank tauten auf, die Heizung spränge nicht an, die Bahnen führen nicht mehr, Maschinen ständen still, Telefon und Internet fielen aus, das Smartphone streikte usw., usw., …  Die Elektrizität und ihre nahezu unerschöpflichen technischen Anwendungsmöglichkeiten, die die letzten 100 Jahre hervorgebracht haben, sind in unserer hochentwickelten Gesellschaft unentbehrlich; man kann sagen lebensnotwendig.
Die rasanten Entwicklungen in der technischen Nutzung von Strom führten in vielen Ländern zu Reichtum und Wohlstand. Die Schattenseite dieser Entwicklung ist ungebremster und verschwenderischer Verbrauch von fossilen Energieträgern zur Stromerzeugung. Die Folgen sind bekannt: Hohe CO2-Emissionen und Klimaveränderungen.
Mit dem Einsatz von erneuerbaren Energieformen, wie z.B. Fotovoltaik, sind erste Schritte in eine klimafreundliche Gewinnung von elektrischem Strom getan, weitere Schritte müssen folgen. Jetzt kommt wieder der technische Fortschritt ins Spiel; mit dessen Hilfe sollte es doch gelingen Klimaneutralität zu erreichen, zum Wohle der Menschen.
(Quellenangabe: Dieter Kappler, Im Fluss der Zeit, Band 2, 2005)