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Bürgerbefragung 40+ in der Gemeinde Karlsbad

15.09.2020 – 28.02.2021

Ergebnisse im Überblick - Videoimpulsvortrag am Dienstag 22. September

Die im Frühjahr 2020 durchgeführte Bürgerbefragung in Karlsbad ist erfolgreich abgeschlossen. Mehr als ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger ab 40 Jahren hat teilgenommen (27 %, 1.882 Personen). Die vorhandenen demografischen Merkmale zeigen eine insgesamt gute Repräsentativität. Alle für das Thema „Gutes Älterwerden“ relevanten Personengruppen konnten erreicht werden. Jedoch ist die Altersgruppe 40- bis 49-Jähriger in der Befragung etwas seltener vertreten als in der Gemeindebevölkerung und Personen aus der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen haben etwas häufiger an der Befragung teilgenommen, als ihr Anteil an der Bevölkerung in Karlsbad ausmacht. Das Thema „Gutes Älterwerden in Karlsbad“ spricht also erwartungsgemäß die Generation 70+ etwas mehr an als Menschen jüngerer Altersgruppen.

V.l. Pablo Rischard und René Markovits sowie Hans-Dieter Stößer bei der Übergabe der Befragungsbögen im Januar 2020. Archivfoto: Ev. Hochschule Freiburg

Hohe Identifikation zeigt den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, die Gemeinde mitzugestalten

In der Befragung wird eine hohe Identifikation mit der Gemeinde deutlich. Die Bürgerinnen und Bürger leben gerne in Karlsbad (93 %) und die große Mehrheit ist sozial gut eingebunden. Viele könnten sich daher auch vorstellen, sich für Ältere im Ort einzusetzen – einige, indem sie z. B. in einem Verein Mitgliedsbeiträge zahlen (90 Personen, 5 %), andere sehr aktiv: 635 Personen (34 %) geben an, als ehrenamtliche Helfer tätig werden zu wollen, 226 Personen (12 %) wären bereit, bezahlte Hilfen zu leisten. In der nebenstehenden Grafik sind die Bereiche aufgelistet, in welchen sich diese Personen ein Engagement vorstellen können.

Demografischer und sozialer Wandel

Unter anderem aufgrund von zunehmender Alterung und höheren Mobilitätsanforderungen steigt deutschlandweit nicht nur der Anteil an Einpersonenhaushalten. Auch leben in vielen Familien die Familienmitglieder nicht mehr gemeinsam im selben Ort, sondern in größerer Entfernung zueinander. Die Auswirkungen des deutschlandweit zu beobachtenden demografischen und sozialen Wandels lassen sich auch in Karlsbad beobachten:

Immerhin 14 % aller Personen über 40 Jahre in Karlsbad leben alleine. Der Anteil der alleine lebenden Personen steigt zudem mit zunehmendem Alter: Fast ein Drittel der hochaltrigen Karlsbader (80 Jahre und älter) lebt alleine. Der Anteil der Einpersonenhaushalte wird wohl auch in Zukunft steigen – und Alleinlebende benötigen, eher als Menschen in Mehrpersonenhaushalten, bereits bei leichten körperlichen Einschränkungen einfache Unterstützungsangebote.

Wer hilft bei Unterstützungsbedarf – Rolle der Familien?

Zudem hat nahezu ein Viertel der Befragten (24 %) im Ort oder in der Umgebung keine näheren Familienangehörigen (ausgenommen Familienangehörige im eigenen Haushalt wie beispielsweise minderjährige Kinder). Diese Zahl ist bei Personen, die in den letzten 30 Jahren zugezogen sind, deutlich höher (35 %) als bei Bürger/innen, die länger als 30 Jahre (24 %) bzw. seit Geburt in Karlsbad leben (6 %). Diese Gruppe der innerhalb der letzten 30 Jahre nach Karlsbad Zugezogenen macht immerhin 42 % aller befragten Personen in Karlsbad aus. Aufgrund der steigenden Mobilitätsanforderungen, aber auch aufgrund beruflicher Verpflichtungen vor allem der Töchter und Schwiegertöchter, können Familien daher in Zukunft nicht in gleichem Maße unterstützende oder pflegerische Aufgaben wahrnehmen wie bisher.

Dennoch ist in Karlsbad die Familie die wichtigste Stütze bei Hilfs- und Unterstützungsbedarf. 56 von insgesamt 87 Personen in Karlsbad, die altersbedingt auf Unterstützung in Haushalt oder Pflege angewiesen sind, nehmen die Hilfe ihrer Angehörigen in Anspruch. 34 Personen werden (zusätzlich) durch einen ambulanten Pflegedienst betreut. Auf Unterstützungsnetzwerke außerhalb von Familie und professionellen Pflegediensten wird weitaus seltener zurückgegriffen. Freunde, Nachbarn oder organisierte Nachbarschaftshilfen spielen kaum eine Rolle.

Unter den befragten Personen befinden sich außerdem 18 % pflegende Angehörige. Das entspricht einer Anzahl von über 320 Personen. Auch aus der Perspektive der pflegenden Angehörigen zeigt sich die Bedeutung von Familie, teilweise unter Hinzuziehung professioneller Pflegedienste. Nahezu 70 % der pflegenden Angehörigen übernehmen die Pflege und Betreuung allein, ohne zusätzliche Unterstützung. Die Anderen erhalten in erster Linie familiäre Unterstützung von anderen Verwandten oder durch einen ambulanten Pflegedienst. Unterstützung von Freunden und Nachbarn bzw. durch eine Tagespflege erhalten jeweils weniger als 30 Personen.

Altersgerechtes Wohnen ist ein Zukunftsthema: Barrierefreie Wohnungen

Nur 7 % der Befragten schätzen die eigene Wohnung als barrierearm und damit gut geeignet fürs Alter ein – 66 % als (eher) schlecht geeignet. Im Vergleich der Befragungsergebnisse mit vergleichbaren Gemeinden ist der Anteil altersgerechter Wohnungen in Karlsbad relativ gering. In der Gegenüberstellung mit den abgefragten objektiven Kriterien zur Barrierearmut scheinen sogar einige der positiven Selbsteinschätzungen z.T. trügerisch: Einige Personen, die ihre Wohnung für (eher) gut geeignet hielten, gaben zugleich an, dass es in ihrem Haus konkrete Hindernisse wie Treppen zum Haus, im Haus etc. gibt. Es zeigt sich auf jeden Fall Handlungsbedarf, aber auch -bereitschaft im Bereich altersgerechten Wohnens: 24 % der Befragten können sich vorstellen, bei Bedarf das eigene Zuhause altersgerecht umzubauen. Hierfür gilt es, ggf. geeignete Beratungsmöglichkeiten zu schaffen bzw. zu stärken.

Auch der Umzug in barrierefreie Wohnungen kommt für einige Befragte in Betracht. Fast 22 % der Befragten können sich dies grundsätzlich vorstellen. Rund 11 % sehen aktuell einen konkreten Bedarf an barrierefreien Wohnungen für sich selbst oder für Angehörige. Die Mehrheit der Befragten ist dabei an Eigentumswohnungen interessiert, auch das Wohnen zur Miete können sich viele vorstellen; alternative Finanzierungsmodelle werden nur von knapp 17 % benannt.

Bei Pflegebedarf ist ein möglichst langer Verbleib in den eigenen vier Wänden Wunsch Nr. 1 – darüber hinaus ist eine ambulant betreute Wohngemeinschaft sehr resonanzfähig

 

Der Verbleib im eigenen Haushalt ist der vorherrschende Wunsch der meisten Befragten, auch bei schwerem Pflegebedarf. Die Zahl der pflege- und unterstützungsbedürftigen Personen wird im Zuge des demographischen Wandels weiter steigen. Gleichzeitig aber nimmt der Anteil der Kinder und Schwiegerkinder ab, die für diese Menschen sorgen und somit den Verbleib im häuslichen Umfeld ermöglichen können. Selbst wenn die erwachsenen Kinder in der Region leben, ist die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für viele Angehörige eine große Herausforderung. In Karlsbad geben bereits heute etwa 19 % der Befragten an, dass sie niemanden haben, der sie im Falle einer Pflegebedürftigkeit unterstützen könnte. Etwa 42 % der Befragten sind sich zudem unsicher, wer sie einmal unterstützen könnte. Zum einen trifft das überwiegend auf die jüngeren Altersgruppen zu, für die das Thema Pflegebedürftigkeit noch weit entfernt ist. Aber auch über 20 % der Hochaltrigen können nicht sagen, ob es jemanden gibt, der Pflege und Unterstützung übernehmen kann. Das muss im Grunde so interpretiert werden, dass sie aktuell keine konkrete Person benennen können. Angesichts des aufgezeigten demografischen und sozialen Wandels müssen also Schritt für Schritt Angebote in der Gemeinde aufgebaut werden, die die familiäre Sorge ergänzen und im Alter einen möglichst langen Verbleib im vertrauten Wohnumfeld erlauben.

Die Bewohnerinnen und Bewohner Karlsbads können sich generell die Nutzung verschiedener Formen der Betreuung und Pflege zu Hause bzw. der Entlastung von pflegenden Angehörigen vorstellen. Der ambulante Pflegedienst wird von den Befragten an erster Stelle genannt. Aber auch Angebote der Tagespflege, Tagesbetreuungsangebote oder zeitweise Entlastung von Angehörigen durch Formen der Kurzzeitpflege zu Hause durch eine Pflegekraft (Verhinderungspflege) können sich etwa 87 % der Befragten eventuell bzw. gut vorstellen.

Mobilität als Frage der gesellschaftlichen Teilhabe    

Der Erhalt von Mobilität und die Sicherung des Zugangs zum öffentlichen Raum, auch und vor allem für Menschen, die in ihrer alltäglichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, sind nicht nur wichtige Ziele, um dem Wunsch der Menschen, möglichst lange im vertrauten Wohnumfeld zu verbleiben, gerecht zu werden. Mobil zu sein im Alter bedeutet auch, mit anderen Menschen zusammenkommen und am sozialen Leben vor Ort teilhaben zu können. Wesentlich für das Maß der Bewegungsfreiheit älterer Menschen sind neben den individuellen Fähigkeiten auch die Verfügbarkeit entsprechender Hilfen und Mobilitätsangebote, die Einschränkungen kompensieren können, auf der anderen Seite aber auch Hürden, welche die Möglichkeiten von körperlich eingeschränkten Personen, sich unabhängig und selbstbestimmt bewegen zu können, weiter begrenzen.

In der Befragung gaben 9 % der Bürgerinnen und Bürger in Karlsbad an, dass sie in ihren persönlichen Bewegungsmöglichkeiten bei Alltagswegen leicht eingeschränkt sind, weitere 3 % sind laut eigener Aussage schwer eingeschränkt. In der Altersgruppe 80+ waren dies zusammengefasst etwa 37 % der Befragten. Bei Befragungsergebnissen in vergleichbaren Gemeinden lag der Anteil in dieser Altersgruppe mit bis zu 50 % der Befragten jedoch deutlich höher.

Dennoch zeigt sich die eingeschränkte Mobilität einiger hochaltriger Menschen in Karlsbad auch im Rückgang der Autonutzung in den Altersgruppen ab 70 Jahren. Das ist vor allem deshalb von hoher Bedeutung, da das Auto immer noch das meistgenutzte Verkehrsmittel für die Bürgerinnen und Bürger in Karlsbad ist. Zwar wird der ÖPNV (Verbindungen Richtung Pforzheim und Karlsruhe) auch von 80 % der Befragten genutzt, allerdings nur von einer Minderheit (rund 25 %) regelmäßig. Da die ÖPNV-Nutzung im hohen Alter ebenfalls tendenziell rückläufig ist, ist auch nicht zu erwarten, dass ein Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner mit körperlichen Einschränkungen im Alter vom Auto auf die Nutzung von Bus oder Bahn umsteigt.

Flexiblere Mobilitätsangebote wie Mitfahrgelegenheiten, Bringdienste oder Bürgerbusse, die eine kostengünstige Abholung zu Hause ermöglichen, könnten dieser Personengruppe erlauben, eigenständig einkaufen zu gehen und am Leben vor Ort teilzuhaben, sofern diese Angebote auch ausreichend bekannt gemacht und akzeptiert werden. Die generelle Bereitschaft zur Nutzung solcher Angebote scheint vorhanden zu sein: 265 Befragte ab 70 Jahren können sich vorstellen, zumindest gelegentlich eine flexible Beförderungsmöglichkeit wie beispielsweise einen Bürgerbus oder ein Bürger-Rufauto zu nutzen. Das entspricht mehr als 62 % dieser Altersgruppe.

Peter Gaymann, www.demensch.gaymann.de

Auf der anderen Seite können gerade für mobilitätseingeschränkte Personen verschiedene Hindernisse den Zugang zum öffentlichen Raum und damit soziale Teilhabe erschweren. Insbesondere wurde deutlich, dass fehlende öffentliche Toiletten ein großes Hindernis für viele Befragte in Karlsbad darstellen. Besonders häufig in diesem Zusammenhang wurde mit dem Einkaufszentrum in Langensteinbach der zentrale Einkaufsort in Karlsbad genannt. Aber auch die Situation für Fußgängerinnen und Fußgänger werden von einigen Befragten als nicht ideal beschrieben: Hier stellen vor allem hohe Bordsteine bzw. fehlende Absenkungen an verschiedenen Stellen im Ort sowie zu schmale, unebene, schlecht beleuchtete oder zugeparkte Gehwege und fehlende Überquerungsmöglichkeiten für viele Befragte Hindernisse dar.

Ausblick: „Gutes Älterwerden in Karlsbad“ und Neuaufstellung Bürgerbeteiligung

Die hier und in weiteren Veröffentlichungen des Amtsblattes in den kommenden Wochen vorgestellten Ergebnisse der Bürgerbefragung bilden den Startpunkt für einen Prozess, in dem alle Bürgerinnen und Bürger in Karlsbad eingeladen sind, den Auf- und Ausbau von Angeboten sowie die Bedingungen eines guten Älterwerdens in Karlsbad gemeinsam aktiv zu gestalten. Der demografische und soziale Wandel in Karlsbad wird somit nicht allein auf die Frage der pflegerischen oder gesundheitlichen Versorgung einer älter werdenden Bürgerschaft verengt. Vielmehr sollen die Lebensbedingungen vor Ort von und mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam gestaltet werden. Daher beschloss der Gemeinderat, das Thema „Gutes Älterwerden in Karlsbad“ mit der Neuaufstellung der Bürgerbeteiligung (Nachfolge Agenda 2020) zu verknüpfen. In den Mittelpunkt der kommunalen Planung werden somit das soziale Miteinander, die Pflege von Nachbarschaften, die Vereinbarkeit von Beruf und Sorgeaufgaben sowie die Wertschätzung der Solidarität mit den “Verletzlichen“ in unserer Mitte gestellt. Damit schlägt die Gemeinde Karlsbad frühzeitig einen Weg ein, der die Zukunftsfähigkeit unserer Orte in den kommenden Jahren ganz wesentlich ausmachen wird.

Wichtige Termine

Bereits im Mitteilungsblatt am 30. Juli informierte die Gemeinde über den geänderten Ablauf des geplanten Bürgerbeteiligungsprozesses aufgrund der Corona-Pandemie. Parallel zu weiteren Veröffentlichungen der Befragungsergebnisse im Mitteilungsblatt im Oktober und November gibt es ab September fünf Videoimpulsvorträge an denen die Bürgerinnen und Bürger teilnehmen können. Die Videoimpulsvorträge finden immer in der Woche nach der jeweiligen Themenveröffentlichung im Mitteilungsblatt statt. Dabei soll es möglich sein, ausgewählte Praxisideen kennenzulernen und mit Praxisexperten ins Gespräch zu kommen. Auf der Webseite der Gemeinde wird weiterhin ein „Sammellink” unter der Überschrift „Ergebnisse Bürgerbefragung Gutes Älterwerden / Neuaufstellung Bürgerbeteiligung” eingerichtet. Auf diesem werden die Unterlagen elektronisch zur Verfügung stehen. Der erste Videoimpulsvortrag zu dieser Veröffentlichung ist am Dienstag, 22. September von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Sie müssen sich vorher per E-Mail anmelden: dieter.stoesser@karlsbad.de - Redaktionsschluss hierfür ist Freitag, 18. September 2020. Am Montag, 21. September erhalten die Angemeldeten dann den Link und die ID zum Beitreten in das Zoom-Format. Empfehlung: Fangen Sie am Dienstag möglichst bereits um 17.30 Uhr an, sich online zu schalten.

Die weiteren Veröffentlichungstermine und Themenblöcke sind:

01.    Oktober Thema „Zuhause Wohnen“ im Mitteilungsblatt – Videoimpulsvortrag am 06. Oktober von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr

22. Oktober (Vollverteilung des Mitteilungsblattes) Thema „Alltagsversorgung“ im Mitteilungsblatt – Videoimpulsvortrag am 27. Oktober von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr

05. November Thema „Mobilität“ im Mitteilungsblatt – Videoimpulsvortrag am 10. November von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr

26. November (Vollverteilung des Mittelungsblattes) Thema „Neue Wohnformen“ im Mitteilungsblatt – Videoimpulsvortrag am 01. Dezember von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr

Alle Akteure hoffen, dass die Bürgerbeteiligung in gewohnter Form mit menschlicher Begegnung und in Form von Präsenzveranstaltungen im Februar / März 2021 starten kann. Die Verantwortlichen sind der Meinung, dass nur auf diese Weise neue Projekte und Initiativen ins Leben gerufen werden können.