Karlsbader Mitteilungsblatt

ARCHIV: Heimatmuseum

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Heimatverein Karlsbad

28.04.2021 – 12.05.2021

Elektrischer Strom in Karlsbad:

Langensteinbach

In der letzten Woche berichteten wir, wie vor 100 Jahren erstmals Strom vom „Murgwerk Forbach“ nach Ittersbach floss. Wie es dazu kam, dass in Langensteinbach bereits im Jahr 1909 elektrische Birnen die Häuser erhellten, beschreibt unser Vereinsmitglied Hildegard Ried:

„Am 9. Juni 1909 leuchteten zum ersten Mal elektrische Glühbirnen in Langensteinbach und erhellten die Straßen und auch die zuvor doch recht dunklen Stuben des Dorfes. Das neumodische Licht soll sogar gleich zu Anfang auch in Ställen und sogar in Scheunen erstrahlt sein. Dass diese Neuerung nicht nur Licht, sondern auch so manche Aufregung in den Ort gebracht hat, versteht sich von selbst.
Es war Bürgermeister Schöpfle, der die Elektrifizierung recht früh anstrebte und auch vorantrieb. Die Lebensbedingungen im Ort zu verbessern, war ihm stets ein Anliegen. So berief er schon 1908 eine Bürgerversammlung ein, der 54 Bürger, jedoch keine Bürgerinnen angehörten. Die Versammlung beschloss die rasche Elektrifizierung und ließ auch gleich 37 Straßenlampen anbringen, von denen dann 27 halbnächtig und 1o ganznächtig brannten, wie es schön amtlich in dem Dokument heißt.

Das Dampfziegelwerk in der Ettlinger Straße lieferte den Strom, der dort durch einen Generator erzeugt wurde.

Dampfziegelei Langensteinbach

Mit diesem Strom wurde dann auch Reichenbach versorgt. Das Ziegelwerk brannte am 31. März 1913 vollkommen ab. Ob der Generator bei dieser Katastrophe unversehrt blieb ist derzeit nicht bekannt. Auf dem Gelände der Ziegelei entstand dann ein Sägewerk. Es übernahm auch die Stromversorgung und war damit Herr über Licht und Dunkelheit im Ort.

 Heute befindet sich an diesem Ort ein Gewerbepark, Nähe Aral-Kreisel

So ganz glücklich schienen in den Anfangszeiten die jeweiligen Sägewerksbesitzer nicht mit ihrem Amt gewesen zu sein. Es gab Probleme. 1922 musste die Gemeindeverwaltung damit drohen, das Wasser für das Sägewerk abzuschneiden, falls nicht genügend Strom geliefert werden sollte, denn in der Schmuckfabrik Speidel, der sogenannten “Goldfabrik”, konnte wegen des Energiemangels nicht mehr gearbeitet werden.

Viele erinnern sich sicher an die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Während bei Fliegeralarm in den Orten ringsum Sirenen ertönten, blieb es in Langensteinbach still und dunkel. Die Alarmmeldung ging nämlich stets an den Sägewerksbesitzer Hummel; dieser schaltete sofort den Generator bzw. die Stromzufuhr ab. Kein unerwünschter Lichtstrahl konnte den Bomberbesatzungen den Ort verraten.

Eine recht heitere Anekdote wurde lange Zeit im Ort erzählt: Ab 1921 lehnte es der Sägewerksbesitzer ab, samstags und sonntags nach 11 Uhr - heute würden wir 23 Uhr schreiben - noch Strom zu liefern. Damit brachte er besonders Hochzeitsgesellschaften in arge Verlegenheit. Denn welche Hochzeitsfeier ging schon um 11 Uhr zu Ende? Die Langensteinbacher wussten sich jedoch zu helfen. Sie versorgten den Nachtwächter des Sägewerks mit allen Köstlichkeiten der Hochzeitsfeier. Wer aus Armut oder vielleicht auch aus Knausrigkeit vergaß, den Nachtwächter in die Bewirtung einzubeziehen, der saß eben ab 11 Uhr abends im Dunkeln. Ein Bote musste zum Sägewerk geschickt werden, beladen mit einer großen Portion des Festessens und einer Flasche Wein, um den Herrn über das Licht gnädig zu stimmen. Erst dann konnte auch um 12 Uhr der Brautkranz im Schein der elektrischen Beleuchtung abgenommen werden.“

Über die Elektrifizierung der Ortsteile Auerbach, Mutschelbach und Spielberg werden wir in einer der nächsten Ausgaben des Mitteilungsblattes berichten.