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Schwierige Entscheidungen bei Kinderbetreuung und Bedarfsplanung Kindergärten

17.05.2022 – 01.06.2022

Sitzung des Gemeinderates im April

Kein einfaches Thema war für den Gemeinderat in seiner Aprilsitzung das Maßnahmenprogramm Kinderbetreuung und die Bedarfsplanung Kindergärten. Nach intensiver Diskussion beschloss das Gremium die Eckpunkte. Ein Vertagungsantrag wurde abgelehnt.

Die wichtigsten Beschlüsse

Die Elternbeiträge werden in einem Rahmen von 3,1 bis 6,5 Prozent erhöht. Die individuellen Erhöhungssätze richten sich nach U 3 bzw. Ü 3 Format, Anzahl der Kinder und gewähltem Betreuungsformat. Bei den Entgelten für die Schulkindbetreuung werden die Sätze vom letzten Schuljahr beibehalten. Die Essenskosten steigen. Der Gemeinderat stimmte den Betriebskostenabrechnungen inkl. Defizitübernahmen zu. Außerdem gab er grünes Licht dafür, Gruppen im evangelischen Kindergarten Mutschelbach übergangsweise einzurichten. Für den Zeitraum von zwei Jahren soll eine erweiterte Containeranlage eingesetzt werden.

Bürgermeister Jens Timm sah die sehr gute Inanspruchnahme der Angebote (hohe Kinderzahlen) bei der Kinderbetreuung als Hauptproblem. Man müsse auch darauf achten, dass die Anzahl der auswärtigen Kinder nicht überhand nehme. Das Thema sei komplex und tiefgreifend. Die Gemeinde versuche, sich beim Angebot und den Gebühren an die Landesempfehlungen zu halten. Die derzeitigen Corona bedingten Mehraufwendungen führen zu erhöhten Betriebskosten und geringeren Einnahmen. Trotzdem werden, auch wenn alles wieder im normalen Kostenrahmen laufe, der Elternanteil unter 20 Prozent der Kosten decken, den Restbetrag trägt die Allgemeinheit.

Der Kindergarten in Karlsbad-Mutschelbach soll vorübergehend mehr Kinder aufnehmen. Hierfür ist u.a. eine Containeranlage geplant. Räumlich würde diese vor dem Kindergarten platziert werden. Foto: Gemeinde Karlsbad

Auswirkungen der Pandemie und auch Starkregenereignisse spürbar

Hauptamtsleiter Benedikt Kleiner erläuterte, dass es für den Zeitraum 2020/2021  keine verlässlichen Planungsgrundlagen gegeben habe. Ursächlich hierfür war die Corona Pandemie. Diese verursachte Schließungen und Betriebseinschränkungen der Einrichtungen im Kindergarten und Schulkindbereich. Es gab veränderte Betreuungsumfänge und größtenteils Notbetreuungen und den sogenannten „eingeschränktem Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen“. Ebenso war die Zuschuss- und Abrechnungssituation unübersichtlich. Weitere Faktoren waren massive Einnahmeausfälle von Beiträgen, Kosten der Betriebsbereitschaft der Einrichtungen sowie die Starkregenereignisse. Dadurch mussten Gruppen und ganze Einrichtungen in Provisorien verlagert werden. Reguläre Abläufe waren stark erschwert. 

Zahlen im Kindergartenbereich ändern sich fortlaufend – Kindergärten ausgelastet

Kleiner verdeutlichte, dass die Zahlen im Kindergartenbereich lediglich statistischen Wert haben. Sie zeigten nur das Bild zum Stichtag 31. März. Insofern seien diese nicht als absolute Werte zu bewerten. Die freien Plätze bestünden lediglich auf dem Papier. Unterjährige Schwankungen, Personalmangel etc. führten zu reduzierten Platzzahlen. Die Kindergärten seien ausgelastet.

Bei den Ü-3 Kindergartenplätzen stünden demnach theoretisch 649 Plätze bereit, verfügbar seien 577 und belegt 538. Hinzu kämen noch die externen Kinder. 

Bei den U-3 Kindergartenplätzen stünden rechnerisch 265 Plätze bereit, verfügbar seien 203 und belegt 153. 484 Kinder befänden sich in der Kinderbetreuung. Theoretisch wäre dies eine Betreuungsquote von 55 Prozent, tatsächlich betrage diese 60 Prozent. Es werden immer mehr Ü3 Plätze belegt - dadurch gebe es weniger U3 Plätze.

Die Kinderzahlen seien in den letzten 10 Jahren um ca. 3,2% im Schnitt gestiegen. Es gebe deutliche Schwankungen zwischen den Ortsteilen. Der Geburtenanstieg 2019 und 2021 führe zu einem höheren Bedarf in den folgenden Jahren (insbesondere ab 21/22/23). Mit 176 Geburten im Jahr 2021 sei die höchste Zahl seit 2009 erreicht worden.

Die Zuschüsse seien um 664 000 € von 2019 auf 2020 auf insgesamt 2,841 Millionen Euro gestiegen. Allerdings könnten die höheren Zuschüsse die Aufwendungen der Gemeinde kaum ausgleichen. Die Betriebskosten seien von 2016 bis 2020 um 32 Prozent geklettert. Die Betriebskosten werden wie folgt getragen: 12,9% Elternbeiträge, 3,7% sonstige Einnahmen der Kigas, 1% Interkommunaler Kostenausgleich (Überschuss), 6,4% Träger/Kirchen und 76,2% Gemeinde und Land.

Elternbeiträge Kindergarten

Die Gemeinde strebe an, durch die Elternbeiträge 20% der Kosten zu decken. Städte- und Gemeindetag erarbeiten gemeinsam regelmäßig Vorschläge zur Höhe der Elternbeiträge (landeseinheitliche Empfehlungen). Je nach Kostensituation der Einrichtung kommen diese Empfehlungen dem angestrebten Deckungsgrad mehr oder weniger nahe. In 2019 sei der Kostendeckungsgrad durch Elternbeiträge um 0,9 % auf 17,5 % gestiegen. Ab 2020 habe sich dieser Trend durch die Corona Pandemie und die hohen Einnahmeausfälle massiv gedreht. Die Gemeinde habe 2020/2021 über 273 000 € an Einnahmeausfällen zu verzeichnen, der Kostendeckungsgrad sei um 4 % eingebrochen.

Kindergartenbeiträge in der Gemeinde Karlsbad

Die Betriebskostenzuschüsse der Gemeinde Karlsbad seien von 4,65 auf ca. 5,12 Mio € und damit um 11% gestiegen. Hauptgrund für die hohe Steigerung waren die aus der Corona-Situation resultierenden Mehrkosten (Hygiene, Testungen der Kinder und des Personals) und die Einnahmenausfälle aufgrund der Beitragserlässe. Die Gemeinde Karlsbad musste in 2020 ca. 275.000 € entgangener Elternbeiträge refinanzieren.

Der Deckungsbeitrag durch Elternbeiträge, also der Anteil der Betriebskosten, der über Elternbeiträge finanziert wird, sei auf knapp 13 % gesunken. Selbst wenn die Ausfälle herausgerechnet werden, sei der Deckungsbeitrag von 17,5 auf knapp 17% gefallen. Damit habe sich dieser weiter von der Zielmarke 20 % entfernt. Eine Beitragserhöhung ist damit unumgänglich.

 

Gebühren für Kinder ab 3 Jahren (Ü3)

Obwohl die Erhöhung 2021 ausgesetzt wurde, sollte die Gemeinde Karlsbad sich in 2022 wieder an den Empfehlungen des Gemeindetages und der kirchlichen Spitzenverbände orientieren. Das bedeutet, dass sowohl die empfohlene Erhöhung für 2021 i.H.v. 1,9 % als auch die für 2022 i.H.v. 2,9 % nun in einem Schritt erfolgen müssen.

Gebühren für Kinder bis 3 Jahren (U3)

Im U3-Bereich liege die Gemeinde Karlsbad weiterhin deutlich unter den Empfehlungen des Gemeindetags. Für die VÖ-Betreuung 6,5 Std./Tag in der Krippe wird ein Beitragssatz i.H.v. 428 € empfohlen, in Karlsbad liege er bei Umsetzung der vorgeschlagenen Erhöhungen bei 325 €, also ca. ein Viertel darunter.

Kosten Mittagessen

Jede Einrichtung kalkuliert die Essensgebühren, die von den Eltern eingezogen werden, selbst, mit dem Ziel eine Kostendeckung zu erreichen. Die Gemeinde übernimmt dabei 1/3 der vorab genehmigten Kosten der für das Mittagessen zuständigen Hauswirtschaftskraft.

 

Entgelte für die Schulkindbetreuung 21/22

2021 konnte die Schulkindbetreuung nicht neu kalkuliert werden. Gründe dafür waren Corona-Schließungen und teilweise gering in Anspruch genommene Notbetreuungsangebote. Hinzu kamen neu strukturierte Landeszuschüsse. Die Stunden- und Entgeltsätze vom letzten Schuljahr sollen daher beibehalten werden. Das Essensentgelt soll geringfügig erhöht werden.

 

Wichtige Planungen

Der Evangelische Kindergarten in Spielberg werde für 600.000 Euro saniert. Als Interimslösung gebe es eine Containeranlage und Ausweichgruppen im Evangelischen Gemeindehaus.

Bereits installiert ist die Containeranlage für den zu sanierenden Evangelischen Kindergarten Spielberg. Foto: Gemeinde Karlsbad

Der St. Franziskus Kindergarten in Langensteinbach sei durch den Starkregen schwer beschädigt. Er befinde sich im Rohbauzustand und die Sanierung dauert nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich bis Dezember 2022. Die Gruppen sind in Ausweichanlagen untergebracht: Container im Bereich Schulzentrum und in Räumen des Bibelheims.

Beim Evangelischen Kindergarten in Mutschelbach sei die Aufnahmekapazität für 22/23 und 23/24 aufgebraucht. Eine zeitlich befristete Interimslösung sei notwendig. Die aktuell hohe Nachfrage sei eine Ausnahme. Das Außengelände soll mit einer Containeranlage (Kosten ca. 90.000 Euro pro Jahr) genutzt werden. Angedacht sei hierfür ein Bereich im unteren Teil des Kindergartens. Damit könne den Familien ein ortsnahes Angebot gemacht werden. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits vorbereitet.

Bei der Kita Die kleinen Strolche soll ein Neubau in Zusammenarbeit mit einem Investor realisiert werden. Darin sollen 3 Gruppen mit 600 Quadratmeter Nutzfläche und 500 Quadratmeter Außenfläche unterkommen.

Für den Pestalozzi-Kindergarten plane man einen Neubau auf Flächen im Neubaugebiet Schaftrieb. Wie schnell dieses Projekt realisiert werden könne hänge vom weiteren Verlauf im Baugebiet ab.

Diskussion im Gemeinderat

Im Gemeinderat wurde intensiv und kontrovers diskutiert. GR Jürgen Herrmann (Freie Wähler) sagte u.a., dass die Eltern hoch belastet seien. In der Gemeinde gebe es ein gutes Betreuungsangebot und einen entsprechenden Personalschlüssel. Angesichts massiver Investitionen und steigender Betriebskosten seien die vorgeschlagenen Erhöhungen moderat und vertretbar. Wenn die Gebühren nicht erhöht werden führe dies bei späteren Erhöhungen zu massiven Sprüngen oder man müsse darüber nachdenken die Standards zu senken.

GR Roland Rädle (CDU) sah das Dilemma zwischen dem Fördern und Stützen der  Eltern und den Kostensteigerungen sowie anderen Entwicklungen. Die Kommunen könnten nicht alles abpuffern. Ohne weitere Erhöhungen werde die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben weiter auseinandergehen. Er schlug vor, den Deckungsgrad der Elternbeiträge auf einen Wert – beispielsweise 16 Prozent – festzulegen um nicht dauernd diskutieren zu müssen. Ansonsten fahre man mit dem System irgendwann gegen die Wand. Es bleibe dann nichts anderes übrig  als die Beiträge zu erhöhen. Die vorgeschlagenen Sätze seien klein im Vergleich zu den zu erwartenden Steigerungen bei den Kosten.

GR Uwe Rohrer (Bündnis 90/Grüne) meinte, dass der Gemeinderat immer die Elternbeiträge erhöht und darüber diskutiert habe. Dabei habe man immer Kostendeckungsbeiträge in der Nähe der empfohlenen Kostensätze gesucht. Eine Überlegung sei, die Kindergärten kostenfrei zu stellen. Dabei müsse jedoch geklärt werden, ob dies Sinn mache. Bisher empfehlen Städte- und Gemeindetag andere Modelle. Auch durch eigene Entscheidungen (höhere Standards, Trägerförderungen etc.)  produziere man höhere Kosten. Die geplanten Erhöhungen seien vertretbar, ansonsten müsse man mit Sprüngen rechnen.

GR Reinhard Haas (SPD) sah die Gemeinde ebenfalls im Dauerdilemma. Die Fraktion verstehe nicht, warum die Kommunen die von höherer Ebene gesetzten Standards ausführen müssen. Die SPD sei gegen eine Erhöhung, die Kosten für die Eltern müssten auch vertretbar bleiben. Die notwendigen Beiträge müssten woanders eingespart werden.

GR Björn Kornmüller (FDP / Liberale Liste) bewertete dies ähnlich. Er sagte u.a., dass die Kostenentwicklungen nachvollziehbar und die Gemeinde ein sehr gutes Angebot in diesem Bereich habe. Andererseits sei klar ersichtlich, dass der Elternbeitrag angestiegen sei. Ein Zielwert von 20 Prozent sei für ihn zu hoch. Man müsse sich fragen, welcher Zielwert angesetzt wird. Die Bildung werde in allen Bereichen teurer. Problematisch seien die gewaltigen Kostensteigerungen. Die Kinderbetreuung sei jedoch wichtig, daher lehne er die Erhöhung momentan ab.

GR Günter Denninger (CDU) erkannte Mehrerlöse durch FAG Mittel die die Situation anders darstellten. Zudem fehle ihm die Kostenkalkulation für 2021 als Datengrundlage. Er beantragte, das Thema zu vertagen bis die Datengrundlage für 2021 vorliegt.

GRin Simone Rausch (Bündnis 90/Grüne) meinte, dass für die Karlsbader Eltern wohnortnahe Betreuungsangebote wichtig sind. In der Gemeinde gebe es hier gute Standards. Sie könne mit dem familienfreundlichen Württemberger Modell mitgehen. Allerdings frage sie sich, warum die Gebühren immer steigen und die Familien immer mehr zahlen müssten. Sie sei hin- und hergerissen. Bei 20 Prozent Elternanteil sei die Schmerzgrenze erreicht.

Bürgermeister Jens Timm sagte, dass es aus seiner Sicht grundsätzlich gut sei, den Bereich mit dem Schulbereich gleich zu setzen. Das sei aber letztlich eine landespolitische Entscheidung. Die Kosten stiegen mit den höheren Standards, Betreuungsschlüsseln und mehr. Bei den Zuweisungen durch das Land bekämen die Kommunen durch die Vorwegentnahmen immer weniger Mittel. Insoweit werden die Ausgleichszahlungen des Landes im Kitabereich in anderen Bereichen wieder weggenommen. Wenn man ständig steigende Kosten vom Gremium tragen wolle ohne die Eltern mit zu belasten, dann werden andere Dinge nicht mehr finanzierbar und man muss dort Einschnitte vornehmen und Gelder einsparen. Die Gemeinde bezuschusse über ihre Einnahmen einen durchschnittlichen Kindergartenplatz mit 7.500 Euro pro Jahr. Was zwar gerechtfertigt ist, aber eine immer weitere Finanzierung sei nicht leistbar. Es sei schwierig, über Beitragsfreiheit von Kindergärten zu diskutieren, solange dies nicht einheitlich geregelt und damit von allen getragen wird. Dies würde dann auch eine Pflicht zum Kindergartenbesuch seitens des Landes erfordern. Hauptamtsleiter Benedikt Kleiner erläuterte ergänzend, dass die höheren Landesmittel dieses Mal aus einer besonderen Situation resultierten. Zudem bekäme die Gemeinde erst jetzt Stück um Stück die Zahlen von 2021. Die Gemeinde sei generell im zeitlichen „Rückschritt“ und nach außen hin immer der Finanzier-Buhmann, der die Gebühren festsetze. Es gebe Wartelisten für Kinder, informiert er auf Nachfrage von GR Michael Nowotny (SPD).

GR Peter Kiesinger (CDU) votierte für einkommensabhängige Elterngebühren. Timm sagte, dass die Gemeinde keine Handhabe habe, Einkommensnachweise zu fordern. Problematisch sei generell die subjektive Entscheidungsmöglichkeit beim Benennen der entsprechenden Einkommenszahlen.

GR Uwe Rohrer (Bündnis 90/Grüne) bat darum, dass in der nächsten Vorlage alternative Modelle vorgerechnet werden. Bürgermeister Jens Timm nahm dies ebenso wie den Vorschlag von GR Roland Rädle (CDU) auf und die Verwaltung wird sich hierüber Gedanken machen und falls möglich einen Vorschlag unterbreiten. Man wolle berichten wie vorgegangen werden soll.

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Leistungsfähigkeit des Staates überhaupt. Unter anderem ist auch das Thema Kinderbetreuung mit angesprochen. Er wird daher im Anschluss an die Berichterstattung in dem Gemeinderat zur Bedarfsplanung abgedruckt.