BDH Bundesverband Rehabilitation e. V. Kreisverband Karlsbad | 05.12.2025
Rettungsanker Schwerbehinderung
Endlich ist wieder so etwas wie Alltag bei Familie F. eingezogen. Der Schock, der das Leben von Noah und seinen Eltern vor anderthalb Jahren traf, lässt sich allerdings nicht so leicht abschütteln.
Mitten im Unterricht ereilt aus heiterem Himmel den 11-jährigen Noah ein epileptischer Anfall, ein sogenannter Grand-mal-Anfall, der generalisiert den gesamten Körper des Jungen erfasst, ihn fallen, unkontrolliert schüttelt und zucken lässt. Die Not war groß, weil niemand in der Klasse darauf vorbereitet war und das Ereignis einordnen konnte. Bis der Notarzt eintraf, stellte der dramatisch wirkende Verlauf das pädagogischen Fachpersonal vor eine bisher unbekannte Belastungssituation, erinnert sich die Mama von Noah. Und von nun an waren sie auch voller Angst im Umgang mit ihrem Schüler.
Nur wenige Tage vergingen, in denen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte der Uniklinik von einem einmaligen Ereignis ausgingen, das im Kindesalter schon mal vorkommen kann.
Mit dem zweiten und nächsten Anfall wenige Zeit später wurde jedoch schnell klar, was dann auch medizinische Untersuchungen bestätigten: Noah hat ein Anfallsleiden (Epilepsie). Ein Krampf bahnt den nächsten, erklärten die Ärzte der Mutter von Noah. „Ich musste nun ständig damit rechnen, von der Arbeit zu Noah gerufen zu werden, sagt sie über die Folgen.
Quälende Unsicherheit
Wie aber so eine Situation für Noah und die Familie absichern? Der Antrag auf Schwerbehinderung erschien der Familie als Rettungsanker, sind doch mit der Anerkennung und mit Nachteilsausgleichen wie Sonderurlaub Rahmenbedingungen zur Betreuung ihres Sohnes zumindest gesetzlich verbessert. Sie stellte diesen Antrag beim Versorgungsamt.
Das Medikament gegen die Epilepsie, das Noah zunächst bekam, wirkte nicht gut. Er veränderte sich in den folgenden Wochen und Monaten im Wesen, und als er sich dann im August bei einem seiner Anfälle auch verletzte, folgten zwei Wochen stationäre medikamentöse Einstellung in der Klinik. Die Ärztinnen und Ärzte machten klar: Solange das Medikament nicht ausreichend im Blut nachweisbar ist, muss noch mit weiteren Anfällen gerechnet werden. In diese Zeit fiel auch der Bescheid des Versorgungsamtes, der Noah einen Grad der Behinderung von 30 attestierte, also keine Schwerbehinderung.
„Ich habe nur noch funktioniert“, sagt Noahs Mama. Das Familienleben geriet völlig durcheinander. Noahs kleine Schwester hat ihren Bruder in unschönen Anfallssituationen erleben müssen und auch ihre Welt stand plötzlich Kopf. Das gewohnte Familienleben war auf einmal anders. Vier Wochen Zeit, um Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen. Wie sollte das in dieser Situation gehen?
Haken im Kopf und abwarten
Eine sehr gute Freundin machte Frau F. in dieser Zeit darauf aufmerksam, dass es im Ort den BDH gibt: Lass dich doch mal dort beraten, riet sie. Sie folgte diesem Rat und konnte innerhalb einer Woche nicht nur sämtlichen Briefverkehr mit den Behörden abgeben, sondern schöpfte auch wieder Mut. „Ich machte einen Haken im Kopf“, sagt sie.
BDH-Sozialjuristin Annika Schneekloth aus Malente machte in der Sozialvertretung des Jungen deutlich, dass die Annahme des medizinischen Gutachters, eine Anfallsfreiheit sei innerhalb von sechs Monaten zu erwarten, spekulativ war. Das dürfe sich nicht auf die Bewertung des Grad der Behinderung (GdB) auswirken, forderte sie. Und hatte gute Argumente dafür im Gepäck: Medizinische Fachkreise bestätigen, dass die medikamentöse Einstellung mit Antikonvulsiva, also Medikamente zur Behandlung und Prävention von epileptischen Anfällen, einen langen Zeitraum bis zur Anfallsfreiheit braucht. Bei fast einem Drittel der betroffenen Patientinnen und Patienten sprechen sogar nach Angaben der Deutschen Epilepsievereinigung diese Medikamente nicht an (Pharmakoresistenzen).
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen urteilte 2019, dass erst nach drei Jahren Anfallsfreiheit bei weiterer Notwendigkeit antikonvulsiver Behandlung ein Einzel-GdB von 30 in Betracht kommt.* Da der drei-Jahres-Zeitraum noch nicht verstrichen ist und bis heute keine Anfallsfreiheit besteht, sei der GdB allein wegen der Epilepsieerkrankung von Noah mit mindestens 60 bis 80 zu bemessen, begründete Annika Schneekloth den Widerspruch gegen den Bescheid.
Ruhe zieht wieder ein
Im Dezember 2024 war es dann so weit: Dem Widerspruch wurde, wie es rechtsdeutsch heißt, abgeholfen und der GdB von 60 für den Zeitraum von zwei Jahren zuerkannt.
Das schafft nun Sicherheit für die Familie. Noch ist Noah ziemlich ängstlich im Alltag, aber er ist mit einem neuen Medikament besser eingestellt und kann auch wieder normal die Schule besuchen. Dort haben sich die Lehrerinnen und Lehrer von einer Notärztin im Umgang mit epileptischen Zwischenfällen schulen lassen, um ihrerseits Sicherheit zu erlangen. Es ist wieder ruhiger im Leben der Familie F. geworden. Dennoch rechnet man oft noch mit dem Unschönen, wie Noahs Mama das Epilepsiegeschehen umschreibt.
Sie hofft aber auf die realistische Chance, dass ihr Sohn im Teenageralter die Epilepsie im günstigsten Verlauf verliert, wenn keine neuen Anfälle auftreten. Aber erst dann bräuchten er und seine Familie das Sicherheitsnetz der Schwerbehinderung nicht mehr.
Der Kreisverband Karlsbad ist vor Ort in Karlsbad, wenn es nötig kommen wir zu ihnen und beraten Sie in ihrer gewohnten Umgebung oder per Telefon alternativ bieten wir auch an mit uns per Videotelefonie oder Internet in Kontakt zu treten. Sie können aber auch nur einen Termin zu den Sprechzeiten in Karlsbad/Ittersbach im Rathaus mit uns vereinbaren.
Hinterlassen Sie uns einfach eine per Telefon oder per Mail eine Nachricht, wir melden uns bei Ihnen.
• BDH-Kreisverband-Karlsbad
• Andreas Schütte
• Belchenstr.39, 76307 Karlsbad
• Mobil: 0170 97 67 492
• Home : 07248 92 44 40
• Email: karlsbad@bdh-reha.de
• Web: www.bdh-reha.de