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Redaktionelle Berichte | 11.09.2018 – 31.12.2018
Umfassendes Werk für die Arbeit an einem Thema das immer bedeutender wird
Wie berichtet, hat der Gemeinderat vor der Sommerpause das Radverkehrskonzept verabschiedet. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte daraus: Die Gemeinde Karlsbad hat im Frühjahr 2017 die Planersocietät – Stadtplanung, Verkehrsplanung, Kommunikation mit Sitz in Düsseldorf und Karlsruhe damit beauftragt, ein Radverkehrskonzept für das Gemeindegebiet zu erstellen. Dabei sollen sowohl die bisherigen Arbeiten des Arbeitskreises Mobil als auch die Inhalte des Radverkehrskonzepts des Landkreises Karlsruhe berücksichtigt und weiterentwickelt werden. Oberstes Ziel des Radverkehrskonzeptes ist es, den Radverkehr in der Gemeinde zu fördern. Hierfür soll ein möglichst geschlossenes Wegenetz aufgebaut werden, welches es ermöglicht, sich sicher und bequem sowie möglichst zügig und zielstrebig fortbewegen zu können. Dabei sind die Fahrstrecken zwischen und innerhalb der Ortsteile sowie bedeutende Verbindungen zu umliegenden Kommunen im Blick. Neben den reinen Infrastrukturmaßnahmen sind auch solche Maßnahmen wichtig, die ein gutes Radverkehrsklima fördern und helfen, die jeweiligen Maßnahmen zu akzeptieren. Das Radverkehrskonzept ist auch Grundlage, um in den Genuss von Landesfördermitteln zu kommen. Zusammenfassend kommen die Autoren des Radverkehrskonzept zu folgenden Schlüssen: Wichtigster Faktor für ein attraktives „Rad-Karlsbad“ ist ein durchgängiges, zügig befahrbares und komfortables Netz für die Alltags- und Freizeitnutzer. Hier hat die Gemeinde bereits eine gute bauliche Infrastruktur. Auf den Wegeneubau könne bis auf einzelne Ausnahmen verzichtet werden. Wichtig sind vor allem Übergänge vom Ein-Richtungsstraßen- in den Zwei-Richtungsstraßenbetrieb an den Ortseingängen. Es gilt auch, den Radverkehr im öffentlichen Raum deutlich sichtbarer zu machen, die Wege laufend zu unterhalten und ein fahrradfreundliches Umfeld aufzubauen. Der Fahrradverkehr soll in die weiteren Verkehrsbeziehungen eingebunden werden.
Radwegepflicht
Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass das Radfahren auf der Fahrbahn sicherer ist als auf den aktuell vorhandenen Radwegen geringerer Qualität. Möglicherweise liegt dies daran, dass der Radfahrer dauernd vom motorisierten Verkehrsteilnehmer gesehen wird. Auch durch die steigende Geschwindigkeit des Radverkehrs (z.B. durch Pedelecs) wird es wichtiger, den Verkehr auf Fahrbahnen zu führen. Hinzu kommen auch größere Breiten beispielsweise durch Fahrradanhänger. Für das Führen des Radverkehrs auf Fahrbahnen sprechen auch Nutzungskonflikte zwischen dem Fußverkehr und dem schnellen Radverkehr.
Positive Aspekte des Radfahrens
Durch den zunehmenden Bewegungsmangel nehmen unter anderem Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Hypertonie und Arteriosklerose in Deutschland weiter zu. Etwa 40 Prozent der Bevölkerung haben durch ihre inaktive Lebensweise ein erhöhtes Risiko. Bereits zwei bis vier Trainingseinheiten mit jeweils 30 Minuten in der Woche reichen aus, um das Krankheitsrisiko zu senken. Das Pendeln mit dem Fahrrad kann das Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen signifikant senken. Dazu kommt noch ein positiver Einfluss auf die allgemeine Fitness.
Räumliche Gegebenheiten und Verkehrssituation
Alle fünf Ortsteile sind im Wesentlichen durch zusammenhängende Ortskerne gekennzeichnet, welche sich entlang der Hauptverkehrsstraßen erstrecken. Damit einher gehen häufig beengte Querschnitte im Straßenraum. Durch Umleitungsverkehr kommt es in Teilen von Karlsbad zu vermehrtem Kfz-Aufkommen und speziell auch erhöhtem Schwerlastverkehr. Positiv wirken sich generell die vorhandenen Tempo-30-Zonen aus. Zahlreiche Wirtschaftswege von Forst- und Landwirtschaft sind bereits heute wichtige Elemente für den Radverkehr. Im Vergleich zu den übrigen Gemeinden des Nachbarschaftsverbandes Karlsruhe sind die Karlsbader Haushalte höher mit Pkw ausgestattet. Außerdem nutzen die Karlsbader die Pkw stärker und – überraschenderweise - den ÖPNV sowie das Fahrrad geringer (dies meist für Freizeitzwecke).
Hauptdurchgangsstraße in Karlsbad-Langensteinbach. Foto: Gemeinde Karlsbad
Bisherige Bausteine, Konzepte und Pläne
In der Bürgerbeteiligung erarbeitete der Arbeitskreis Mobil Ziele für den Radverkehr: Entwicklung eines Radverkehrsnetzes, Stärkung des Innerortsverkehrs, bessere Verbindungen zwischen den Ortsteilen und eine stärkere regionale Verknüpfung. Maßnahmen dazu wären demnach: Erstellen eines Radwegekonzeptes, sichere Querung von Straßen, farbiger Straßenbelag bei Konfliktflächen, Ausschilderung der Radwege, verbessertes Fahrradparken sowie ein Netzplan. Der Arbeitskreis hat 2016 ein Radverkehrskonzept erstellt. Ferner gibt es eine Schulwegeplanung für das Schulzentrum und das Radverkehrskonzept des Landkreises Karlsruhe. Der Landkreis fordert unter anderem eine einheitliche Qualität der Radwegeinfrastruktur, direkte Wegeführung und eine verbesserte Ausschilderung. Im Rahmen des Lärmaktionsplanes der Gemeinde werden ein stärkerer Rad- und Fußverkehr als weitere Maßnahmen, um Lärm zu senken, gesehen.
Bestandsaufnahme und Bestandsanalyse
Insgesamt besteht das umfangreiche Karlsbader Radnetz aus ca. 82 Kilometer Alltagsnetz, ca. 38 Kilometer Freizeitnetz und ca. 96 Kilometer Radverkehrsnetz durch Überlagerung des ‚Alltags- und Freizeitnetzes. Häufig würde es reichen, dies durch eine bessere Routenführung darzustellen. Trotzdem wurde ein Handlungsbedarf deutlich. Dieser betrifft sowohl baulich zu schließende Netzlücken als auch verkehrsrechtliche Freigaben einzelner Netzabschnitte sowie teilweise auf Verkehrsschildern nicht dargestellte Durchlässigkeiten von Wegen. Im Innerort fließt der Radverkehr überwiegend gemischt mit dem Autoverkehr, außerorts zumeist auf Forst- und Landwirtschaftswegen. Benutzungspflichtige Radwege sind die Ausnahme im Gemeindegebiet. Bei der Radwegweisung gibt es teilweise Lücken, beispielsweise wird auf überörltich bedeutende Ziele wie das Schulzentrum oder das SRH Klinikum nicht hingewiesen. Überwiegend sind die Wege asphaltiert. Karlsbad hat ein solides Netz, nur 6,5 Prozent davon weist gehäufte Schäden/Unebenheiten auf – betroffen sind überwiegend forst- und landwirtschaftliche Wege. Verbesserungswürdig sind die Wegequalitäten zwischen den Ortsteilen. Häufig stellen Einmündungen und Zufahrten ein Gefahrenpotenzial für den Radverkehr dar. Herausfordernd sind insbesondere Übergänge zwischen Mischverkehr (zwei Richtungen) und einseitiger Infrastruktur (eine Richtung).
Maßnahmenkonzept für die verschiedenen Linien
Im Maßnahmenkonzept wird zwischen Wunschlinien- Alltags- und Freizeitnetz unterschieden. Das Wunschliniennetz soll mithilfe von Luftlinien die wichtigen Quellen und Ziele im Gemeindegebiet sowie über das Gemeindegebiet miteinander verbinden. Das sind zum einen die Verbindungen zwischen den innergemeindlichen Siedlungsbereichen, Gewerbe- und Industriegebiete sowie Bereichen mit einer besonderen Ziel Bedeutung. Dazu zählen das Schulzentrum Langensteinbach und SRH Klinikum inkl. Schulen. Zum anderen die hoch eingestufte Verbindung nach Waldbronn (vor allem Schülerverkehr) und Straubenhardt. Wichtige Ziele und Quellen sind auch das Industriegebeit Ittersbach und die Ortsteile von Straubenhardt. Das Alltagsnetz zeichnet sich dadurch aus, dass es zielorientiert und engmaschig ist. Es sucht Abkürzungen bei Umwegen und fährt eher Ziele in bebauten Gebieten an. Vorrangig soll das Hauptnetz entwickelt werden, welches auf der Umlegung von Wunschlinien auf geeignete Wege und Straßen beruht. Das Nebennetz ergänzt die wichtigen Verbindungen innerhalb der Ortsteile und ist stets mit dem Hauptnetz verknüpft. Innerhalb der Ortsteile soll es die wesentlichen und interessanten Punkte verbinden. Es ist teilweise auch eine Alternative zum Hauptnetz. Die Verbindungen nach Etzenrot und Wilferdingen sind gegenüber den anderen Nebenrouten hervorzuheben. Das Freizeitnetz kennzeichnet sich dadurch, dass es wegeorientiert (der Weg ist das Ziel) ist und Routenbeschilderung und Wegweisung erfordert. Umwege werden akzeptiert und das Netz führt eher zu Zielen außerhalb bebauter Gebiete.
Ein Thema im Fahrradkonzept ist die Freigabe von Einbahnstraßen für Radfahrer. Foto: Gemeinde Karlsbad
Standards für die Radverkehrsplanung
Mit einheitlichen Standards soll beim Umbau und Neubau von Radwegen eine gleichbleibend hohe Qualität gewährleistet werden. Die Gemeinde strebt unter anderem an, ein möglichst geschlossenes Netz aufzubauen und wo möglich den Radverkehr vorrangig im Mischverkehr, auf Schutzstreifen oder auf Radfahrstreifen zu führen. Fußgängerverkehr soll vom Radverkehr getrennt werden. Fahrbahnwechsel ist möglichst zu vermeiden und wo notwendig durch geeignete Querungshilfen zu unterstützen. Einbahnstraßen sollten – wenn möglich – für den Radverkehr in Gegenrichtung freigegeben und Sackgassen – wenn geöffnet – ausreichend beschildert sein. Die Wege sollten gut ausgeschildert bzw. im Verkehr markiert sein. Bei den Wegen selbst sollen u.a. ebene Oberflächen mit geringem Rollwiderstand umgesetzt werden. Wo möglich soll eine ortsfeste Beleuchtung eingesetzt und die Hauptrouten im Winter von Schnee geräumt werden. Bei den Knotenpunkten/Übergängen zwischen Ein- und Zweirichtungsbetrieb, Einmündungen und Zufahrten soll u.a. der Abbiegeverkehr verbessert und sicherer gestaltet werden. Weiter zählen beispielsweise vorgezogene Haltelinien, Markierungen, Warnhinweise an Querungen von klassifizierten Straßen zu möglichen Maßnahmen. Im Bereich Radabstellanlagen wird angestrebt, an allen wichtigen Quellen und Zielen im Gemeindegebiet ausreichend sichere Abstellanlagen zu schaffen. Ferner sollen diese Anlagen barrierefrei nahe an Eingängen bzw. dem Ziel gebaut werden.
Handlungsfelder
Die Bestandaufnahme zeigt, dass die Radverkehrsplanung in Karlsbad auf ein gutes Netz an Wegen zurückgreifen kann. Ein umfangreicher Radwegebau ist nicht mehr notwendig. Infrastrukturelle Netzlücken sind die Verbindungen zwischen Ittersbach und Langenalb, die Verbindung zwischen Knoten K 3562 / K 3563 und Obermutschelbach und ein Netzabschnitt auf der Strecke zwischen Obermutschelbach und Langensteinbach, der eine Nutzung unmöglich macht. Eine wesentliche Verbesserung der Routenführung im Hauptroutennetz des Alltagsverkehrs stellt eine mögliche Überführung der L 562 zwischen Langensteinbach und Auerbach dar. Ebenso fehlen verkehrsrechtliche Freigaben für Radfahrer, besonders auf Forst- und Landwirtschaftswegen. Wichtig sei ferner, die Durchlässigkeit von Netzabschnitten zu kommunizieren.
Handlungsfeld Führungsform
Auf den Hauptverkehrsstraßen fehlt ein Angebot für Radfahrer, lediglich das Tempo 30 Gebot ist (soweit angeordnet) positiv zu sehen. Es fehlen zum Teil Radfahr- bzw. Schutzstreifen, welche beispielsweise auf breiten Tempo-30-Straßen angebracht werden können. Durch Markierungen oder farbliche Gestaltung können klare Verhältnisse auf Straßen geschaffen werden.
Tempo 30 Regelung. Foto: Gemeinde Karlsbad
Straßenkennzeichnung Fußgänger. Foto: Gemeinde Karlsbad
Leuchtturmprojekt Fahrradstraße – Wegweisung - Unterhaltung
Fahrradstraßen können einen maßgeblicher Beitrag sein, um den Radverkehr zu fördern. Sie sind mit vergleichsweise geringem Aufwand an Beschilderungen und Bodenmarkierungen umdsetzbar. Hierfür kommen die Hauptrouten in Frage. In Karlsbad seien die Strecken Richtung Schulzentrum/Freizeiteinrichtungen denkbar, konkret die St. Barbara-Straße und die Keltenstraße. Die Hauptrouten zwischen den Ortsteilen sollen mit besseren Wegweiserschildern ausgestattet und die Fahrradstrecken regelmäßig kontrolliert werden. Für den Winterdienst sollte klar festgelegt sein, welches Netz zugrunde gelegt wird. Hindernisse und Engstellen gilt es möglichst zu beseitigen.
Die St. Barbara-Straße. Foto: Gemeinde Karlsbad
Fahrradwegkennzeichnung. Foto: Gemeinde Karlsbad
Handlungsfeld Radabstellanlagen
Radabstellanlagen müssen an geeigneten Orten zielnah und möglichst komfortabel installiert werden. Die Art und Ausstattung können von Ort zu Ort abweichen. Die Fahrräder müssten diebstahlsicher abschließbar und die Anlagen vandalismushemmend sowie überdacht sein. Komfortabel sind Schließfächer bzw. Fahrradboxen. Mengenmäßig der größte Bedarf, die Abstellanlagen zu erweitern, besteht am Schulzentrum Karlsbad-Langensteinbach.
Radabstellanlagen am Schulzentrum und Bahnhof. Fotos: Gemeinde Karlsbad
Handlungsfeld Anreiz
Anreize oder Impulse zeigen einen Zugang zum Fahrrad auf und können Hemmnisse senken. Das Radverkehrskonzept empfiehlt, entsprechende Aktionen in Karlsbad ins Leben zu rufen. Beispiele für mögliche Aktivitäten sind: Aufnahme des Themas Fahrrad in Neubürgermappe bzw. Begrüßungsmappe für Schüler/innen, Aufbau eines Leihfahrradsystems, Leasingmodelle für Pedelecs oder ein betriebliches Mobilitätsmanagement als Vorbildfunktion für andere lokale Arbeitgeber. Darunter fallen unter anderem bauliche Angebote für das Abstellen von Rädern, Ladestationen für Pedelecs, Duschmöglichkeiten und mehr. Auch ein Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) wird empfohlen. Die AGFK-BW ist ein Zusammenschluss von über 70 Kommunen, die sich das Ziel gesetzt haben, den Fahrradverkehr im Land systematisch zu fördern und eine neue Radkultur zu etablieren. Es könnte versucht werden, den AGFK-BW- Titel „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ zu erhalten. Ein weiteres Arbeitsfeld wäre die umfassende und kontinuierliche Information der Bürger über Öffentlichkeitsarbeit durch feste kundige Ansprechpartner bzw. Koordinatoren. Den Radverkehr zu fördern ist keine singuläre Aufgabe der kommunalen Verwaltung. Sie kann beim Thema Fahrradmobilität Akteure ansprechen und auf sie zurückgreifen. Die Gemeinde soll hier eher koordinierend tätig sein. Auch die Aktion STADTRADELN fördert das Interesse am Radfahren. In Sachen Ladeinfrastruktur für E-Bikes wird empfohlen, den Handeln und örtliche Investoren beim Ausbau einzubeziehen. Sinnvoll wäre ferner, dieses Thema mit der Tourismusförderung zu verbinden.
E-Bike-Ladestation am Rathaus in Karlsbad-Langensteinbach. Foto: Gemeinde Karlsbad