Karlsbader Mitteilungsblatt

Rubrikenübersicht > Gruppen, Vereine und Initiativen > Sport > Skiclub Karlsbad > Wir haben uns überlegt etwas Verrücktes zu tun…

ARCHIV: Skiclub Karlsbad

Dieser Artikel befindet sich im Archiv!

Wir haben uns überlegt etwas Verrücktes zu tun…

22.06.2020 – 31.12.2020

8.848 m – der Mount Everest.  Einmal im Leben den Höhenunterschied von der Meereshöhe bis zum Gipfel des Mt. Everest mit dem Rennrad erradeln, „Das Unmögliche möglich machen“.

Dieser Gedanke ließ ein Rennradfahrer des SkiClub Karlsbad nicht mehr los. Doch nichts scheint zu verrückt, als dass dies nicht schon „im Netz“ zu finden wäre. Und tatsächlich: Diese Herausforderung gibt es bereits, von Ultra-Radsportlern praktiziert und als „Everesting Cycling Challenge“ bezeichnet.

Die Bedingungen: Ein und die gleiche Bergstrecke solange hoch und runter zu radeln, bis die gesammelten Höhenmeter die unglaubliche Summe von 8.848 m erreicht hat. Egal, welche Bergstrecke, ohne Zeitlimit, und ohne Schlaf!

Der Stachel war gesetzt, eine neue Herausforderung gefunden, nachdem bereits 24h-Rennen, Ironman Hawaii Triathlons, 500km Nonstopp-Stafettenfahrten und Langstreckenbrevets bis 600 km und darüber im Portfolio der Radsportler des SkiClub zu finden sind.

Das Corona-bedingte aussetzen der Vereinsausfahrten bot die Chance, durch das alleine radeln der SkiClubler verschiedene Bergstrecken in relativ kurzer Zeit einem Eignungstest hinsichtlich Steigungsprozente, Gesamtanstieg und -länge, Beschaffenheit des Straßenbelags und natürlich möglichst wenig Verkehr zu unterziehen.

Bald war die Strecke gefunden: die nur für Anlieger offene Bergstrecke im Enztal bei Calmbach von der B294 aus bis ca. Meereshöhe Schömberg, vorbei an der ehemaligen Lungenklinik Charlottenhöhe:  3,7 km bei einer Höhendifferenz von 270 m. 33 mal (!) war dieser Anstieg mit bis zu 10% Prozent Steigung zu bezwingen, und natürlich wieder runter zu fahren.

Zwei weitere Radsportler des SCK hatten ebenfalls Blut geleckt und wollten sich auch dieser Herausforderung stellen. So galt es nur noch einen Termin zu finden, der trotz der aktuellen Kontaktbeschränkungen möglich war (der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die gültigen Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln der Pandemie-VO jederzeit eingehalten wurden und dieses Event keine offizielle Veranstaltung des SkiClub Karlsbad war, sondern auf private Initiative durchgeführt wurde).

Die Wahl fiel auf einen 13.: Am Samstag, den 13. Juni 2020 um 4:50 Uhr wurden die ersten Höhenmeter unter die schmalen Räder genommen. Bernhard Becker, Simon Rupp und Oliver Faas  machten sich zu ihrer „Erstbesteigung bzw. Erstbefahrung“ auf, während sich das benachbarte Calmbach noch genauso in tiefem Schlaf befand wie vermutlich die Radsportkollegen des SCK.

Als ein kurzer, heftiger Regenschauer die Straße überschwemmte, waren die drei gerade beim 8. Anstieg. Zirka 2.000 Höhenmeter waren bereits geschafft. Oder besser „erst“, wie es erste leichte Ermüdungserscheinungen der Muskeln gerne an das Hirn zurückzumelden pflegen.

Beim 16. Anstieg – es war inzwischen kurz nach 12 Uhr und jeder fuhr sein eigenes Tempo – hatte man dann schon vermehrt mit der „Sinnfrage“ zu kämpfen, die wohl jeder kennt, der sich freiwillig einer vermeidbaren Ausdauerbelastung aussetzt. Andere sitzen samstags um die Mittagszeit bei einem guten Essen mit Bier oder Wein und freuen sich frei zu haben … Diese Gedanken galt es mit aller Konsequenz auszublenden. Ausdauersport ist eben vor allem auch eine Frage der mentalen Stärke und der Moral. Und diese bewiesen die Drei.

Unterstützt durch Familie, (Ehe)Partner und weitere Radsportler des SkiClub und gestärkt durch deren Mitbringsel wie Kaffee und Kuchen, zeitweise auch durch wiederholte assistierende und vor allem motivierende Begleitfahrer waren auch diese Schwächephasen bald überwunden.

Der Nachmittag war schon deutlich vorangeschritten, vermehrt schmerzten einzelne Körperteile. Die noch zu fahrende Anzahl an Bergstrecken konnte sich nicht schnell genug verringern.

Gegen 17 Uhr waren ca. ¾ der gesamten Höhe geschafft, 6.000 Höhenmeter längst überschritten. Der Restanstieg jedoch wurde zunehmend härter. Immer häufiger hörten sie Stimmen im Kopf, die beschworen doch endlich aufzuhören, denn wozu das Ganze?! „Shut up, legs“ hatte schon der ehemalige Radprofi und Kämpfernatur Jens Voigt in seinem Buch seine Reaktion auf Schwächephasen beschrieben, wie auch Udo Bölts dem ehemaligen, damals noch jungen Radprofi Jan Ullrich bei der Tour de France 1997 ein motivierendes „Quäl' Dich Du S...“ zugerufen hatte. 

So galt es diese Stimmen zu ignorieren, nach vorne, oder besser nach oben zu schauen und sich nicht von den sukzessive abreisenden SCK-Radkollegen demotivieren zu lassen, denen für ihre Unterstützung ausdrücklicher Dank gebührt.

 

Die Sonne war längst über den Waldkuppen des Rotenbachtals verschwunden, als schließlich ein Tachometer nach dem anderen „Gesamthöhenmeter: 8.848 m“ anzeigte, so dass gegen 21:00 Uhr alle ihren Traum erfüllt hatten:

Bernhard Becker, Simon Rupp und Oliver Faas dürfen sich ab sofort Finisher der 

„Everesting Cycling Challenge“ Charlottenhöhe, Germany nennen!

Chapeau und Gratulation