Karlsbader Mitteilungsblatt

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Bürgerbefragung 40+ in der Gemeinde Karlsbad

20.10.2020 – 28.02.2021

2. Vertiefung: „Alltagsversorgung und grundlegende Angebote in Karlsbad“ - Videoimpulsvortrag am Dienstag, 27. Oktober von 18:00 Uhr bis 20:00 Uhr

Nachdem in zwei bereits erschienenen Ausgaben des Mitteilungsblattes und ebenso auf der Homepage der Gemeinde sowohl ein Gesamtüberblick über die Ergebnisse der Bürgerbefragung in der Generation 40+, als auch eine erste Vertiefung der Befragungsergebnisse zum Thema „zu Hause wohnen im Alter“ gegeben wurden, sollen nun im Folgenden die Ergebnisse zur Alltagsversorgung und weiteren grundlegenden Angeboten aus den Bereichen Gesundheit, Freizeit und Soziales in Karlsbad vertiefend dargestellt werden.

Peter Gaymann, www.demensch.gaymann.de

Hohe Bedeutung von Begegnungsorten & sozialem Austausch in Karlsbad

Die Bewertung der Angebotsstruktur in Karlsbad zeigt einige Handlungsfelder auf. Zur Identifizierung dieser Handlungsfelder wird im Folgenden verglichen, wie viel Prozent der Befragten einem Angebot eine hohe Bedeutung für sich persönlich zugesprochen haben (Grüne Balken in der Abbildung links: „Ist Ihnen dies wichtig?“) und wie viele Befragte im Gegenzug in Karlsbad hierfür den Bedarf gedeckt sehen (Grüne Balken in der Abbildung rechts: „Gibt es ausreichend/gute Möglichkeiten“).

So zeigt sich im Vergleich dieser Bewertungen in Bezug auf Angebote der Rubrik Freizeit und Soziales im Bereich Gastronomie eine Differenz von 34 Prozentpunkten zwischen dem Anteil der Personen, denen dieses Angebot wichtig ist und denen, die hierfür ausreichend oder gute Möglichkeiten in Karlsbad sehen. Ebenfalls besonders hohe Unterschiede zeigen sich in den weiteren rot eingekreisten Bereichen: Begegnungs- und Austauschmöglichkeiten zwischen Jung und Alt (24 Prozentpunkte Differenz), Plätze zum Verweilen im öffentlichen Raum (21 Prozentpunkte Differenz) und Treffpunkte (19 Prozentpunkte Differenz).

In einigen Bereichen bestehen geringfügige Differenzen (Kultur & Bildung sowie Zuverdienstmöglichkeiten) bzw. werden weitgehend deckungsgleich zwischen Bedeutsamkeit und realen Möglichkeiten eingeschätzt (Sportangebote). Allen übrigen Bereichen werden von vielen Befragten gute Möglichkeiten zugesprochen, ohne dass diese Bereiche ihnen selbst bedeutsam wären (Aktiv sein in der Kirchengemeinde oder Vereinen sowie Karlsbad mitgestalten).

Es fällt auf, dass die vier genannten Bereiche mit der höchsten Differenz zwischen hoher Bedeutsamkeit auf der einen und geringer Verfügbarkeit auf der anderen Seite alle im weiteren Sinne (auch) auf die Angebote an Begegnungsorten in Karlsbad abzielen – sei es in Form von Cafés und Restaurants oder in Form von attraktiven Plätzen, die zum Verweilen einladen und als soziale Treffpunkte für die Einheimischen dienen können. Das betrifft auch die Begegnungsmöglichkeiten zwischen Jung & Alt: Für mehr als ein Drittel der Befragten sind solche Angebote wichtig, nur 10 % sehen hierfür jedoch ausreichend oder gute Möglichkeiten in Karlsbad gegeben.

Auf die Nachfrage, welche Angebote die Befragten persönlich besonders interessieren würden, wenn Angebote zu Austausch und persönlicher Begegnung in Karlsbad ausgebaut würden, zeigt sich insbesondere ein Interesse an kulturellen Veranstaltungen sowie Sport- und Bewegungsangeboten. Aber auch gemeinsame Reisen und Ausflüge sowie intergenerationale Angebote sind für mehr als ein Drittel der Befragten interessant.

Die Ergebnisse zeigen deutlich: Gut funktionierende Nachbarschaften und eine Kultur der gegenseitigen Unterstützung und Sorge sowie ein lebendiges Sozialleben in der Gemeinde sind keine Selbstverständlichkeiten. Solche Sozialräume müssen aktiv gestaltet werden. Die Kommune und andere relevante Akteure vor Ort können hierfür die förderlichen Rahmenbedingungen schaffen und öffentliche Räume so gestalten, dass Begegnungen und Austausch zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern im Ort erleichtert werden. Außerdem können lokale Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern oder Vereine beim Aufbau neuer Begegnungsangebote unterstützt werden, etwa indem Kontakte vermittelt, Beratung zu Fördermöglichkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen angeboten, Räume zur Verfügung gestellt oder bei der Suche nach geeigneten Räumen geholfen wird. Bei der Gestaltung neuer Treffpunkte, die laut Befragungsergebnissen insbesondere auch dem Austausch zwischen Jung und Alt dienen sollen, muss darauf geachtet werden, wie intergenerative Angebote so angelegt werden können, dass diese auch für Kinder und Jugendliche attraktiv sind.

Wie beurteilen die Menschen in Karlsbad die Einkaufsmöglichkeiten vor Ort?

Mit zunehmendem Alter wächst die Bedeutung des näheren Wohnumfeldes als Mittelpunkt der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, insbesondere für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Neben Freizeitangeboten und sozialen Treffpunkten spielt vor allem auch das Einkaufen eine wichtige Rolle im Alltag. Dabei erfüllt das Einkaufen gerade im Alter indirekt auch immer eine soziale Funktion: Beim Einkaufen trifft man Freunde und Bekannte, tauscht sich aus und nimmt auf diese Weise am Sozialleben vor Ort teil.

Der langjährige Trend der Zentralisierung von Einkaufsmöglichkeiten an einige wenige Orte – häufig auf der „grünen Wiese“ außerhalb der Orte führt dazu, dass grundlegende Versorgungsangebote wie Supermärkte, Banken und Postfilialen in vielen Ortschaften nicht mehr fußläufig erreichbar sind. Vor allem bei der Anzahl kleinerer Lebensmittelgeschäfte war in den vergangenen Jahren deutschlandweit ein deutlicher Rückgang zu erkennen. Auch für die Nahversorgung in Karlsbad zeigen sich aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger Verbesserungsbedarf:                                       

Die Verfügbarkeit von Einkaufsmöglichkeiten der Alltagsversorgung hat für nahezu alle Bürgerinnen und Bürger in Karlsbad (93 %) eine herausragende Bedeutung. Demgegenüber beschreiben aber nur 36 % die Nahversorgungssituation mit Lebensmitteln als gut (36 %).  Ein ähnliches Muster lässt sich auch in Bezug auf Banken bzw. Sparkassen und Postfilialen beobachten. Alle drei Bereiche weisen substanzielle Anteile negativer Bewertungen auf (37 % bis 44 %) sowie eine große Differenz zwischen hoher Bedeutsamkeit einerseits und deutlich geringeren Anteilen an Befragten, die die Angebotssituation als gut beschreiben. Nimmt man den Anteil der negativen Bewertungen zur Versorgungslage mit grundlegenden Angeboten der Alltagsversorgung als Gradmesser, weisen die Ergebnisse darauf hin, dass deutlich mehr als ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner in Karlsbad und seinen Ortsteilen nicht über ausreichend Einkaufsmöglichkeiten im näheren Wohnumfeld verfügt. Eine geringe Dichte an Banken, Postfilialen und Geschäften des täglichen Bedarfs im näheren Wohnumfeld bedeutet im Durchschnitt höhere Anfahrtswege.

 

Wie sich an den folgenden Ergebnissen ablesen lässt, sind vor allem mobilitätseingeschränkte Personen ohne eigenes Auto und schlechter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr von solch einer Situation betroffen. Sie werden in besonderem Maße in ihren Teilhabemöglichkeiten eingeschränkt, wenn sie nicht mehr selbst einkaufen gehen können. Bei gut erreichbaren Einkaufsmöglichkeiten vor Ort, die auch von Menschen erreicht werden können, die keine weiten Strecken mehr zurücklegen können, lässt sich generell beobachten, dass ältere Menschen häufiger einkaufen als jüngere. Auf Karlsbad trifft diese Beobachtung nur bedingt zu und betrifft vor allem die Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen. Rund 93 % dieser Altersgruppe gehen selbstständig einkaufen. Über alle Altersgruppen geben 89 % an, selbst einkaufen zu gehen. Ab 80 Jahren sind es hingegen nur noch 76%. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 24 % dieser Altersgruppe nicht (mehr) selbst einkaufen geht. Man kann davon ausgehen, dass deutlich mehr als die Hälfte der über 80-Jährigen, die nicht mehr selbstständig einkaufen gehen, dies unfreiwillig nicht mehr tut.

Im Wesentlichen bestimmen die Nachfrage und damit verbundene Marktmechanismen darüber, ob sich Geschäfte aus dem Zentrum an den Stadtrand verlagern oder sich aus den kleineren Ortschaften zunehmend zurückziehen. Deshalb lassen sich Angebote nur mit Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger rentabel in die Ortschaften zurückholen, z.B. in Form von Dorfläden. Diese verbinden das Kerngeschäft des Lebensmittelverkaufs mit Zusatzangeboten wie Paketdiensten, Bankdienstleistungen, Begegnungsstätte, Lotto usw. Häufig ergreifen Bürgerinnen und Bürger beim Aufbau und Betrieb dieser Dorfläden selbst die Initiative. Die Kommune kann den Aufbau solcher Versorgungskonzepte durch Beratung, Moderation und Räumlichkeiten unterstützen.  Unabhängig von neuen Versorgungsangeboten führen allerdings auch Verbesserungen bei den Mobilitätsangeboten und der Abbau von Barrieren im öffentlichen Raum zu einer besseren Erreichbarkeit von weiter entfernt liegenden Angeboten der Alltagsversorgung (das Thema „Mobilität“ wird ausführlicher in der kommenden Ausgabe behandelt).

Grundlegende Gesundheitsangebote: Ärzte für viele nur schwer erreichbar

Im Angebotsbereich Gesundheit zeigt sich die deutlichste Differenz zwischen Bedeutung und positiver Bewertung der Versorgungssituation bei den Ärzten (79 Prozentpunkte Differenz). Zudem bewerten 74 % die wohnortnahe Versorgung mit Ärzten als schlecht (roter Balken auf der rechten Seite). Der hohe Anteil an negativen Bewertungen weist auf eine insgesamt als unzureichend empfundene Versorgungsdichte mit Ärzten hin. Hingegen scheinen Apotheken für eine Vielzahl der Bürgerinnen und Bürger in ausreichendem Maße vorhanden zu sein.

Der Auftrag, die ambulante medizinische Versorgung sicherzustellen, liegt bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie regeln die Anzahl der Zulassungen von Vertragsärzten in den einzelnen Gebieten und haben die Möglichkeit, in von Unterversorgung bedrohten Gebieten verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Eine direkte Einflussnahme durch die Lokalpolitik zur Verbesserung der medizinischen Versorgung ist nur sehr begrenzt möglich. Allerdings wären beispielsweise Möglichkeiten zur Bereitstellung von Räumlichkeiten denkbar, etwa um Ärzten aus umliegenden Gemeinden den Betrieb von Zweigpraxen zu ermöglichen. Durch Kooperationen und Vernetzungen mit anderen Gemeinden mit Ärztemangel könnten Gemeinschaftslösungen oder der engere Kontakt zu der Kassenärztlichen Vereinigung gesucht werden. Hier gilt es, die für Karlsbad und seine Ortsteile passenden Möglichkeiten zur Verbesserung der wohnortnahen Versorgung auszuloten. Darüber hinaus bietet es sich auch hier an, Maßnahmen zur besseren Erreichbarkeit durch den weiteren Ausbau von Mobilitätsdiensten umzusetzen, insbesondere für ältere Menschen ohne PKW.

Fazit: Engagementbereitschaft der Bürgerschaft nutzen

Handlungsfelder für die Verbesserung der Angebots- und Versorgungsstruktur in Karlsbad ergeben sich also in erster Linie für die Verfügbarkeit von Begegnungsorten bzw. die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Möglichkeiten des sozialen Austauschs einschließlich gastronomischer Angebote und Begegnungsmöglichkeiten zwischen Jung und Alt, die Erreichbarkeit von Ärzten und die wohnortnahe Grundversorgung im Ortskern. Die Bürgerinnen und Bürger in Karlsbad hatten zudem die Möglichkeit, uns in einer offenen Abfrage mitzuteilen, welches Angebot Ihrer Meinung nach in Ihrem direkten Wohnumfeld besonders fehlt. Die Rückmeldungen auf diese Frage bestätigen die oben genannten Handlungsfelder: Am häufigsten werden Einkaufsmöglichkeiten vor Ort genannt (179 Nennungen). Gewünscht werden hier vor allem Angebote der Grundversorgung (Kleiner Lebensmittelladen bzw. Geschäft mit verschiedenen Waren der Grundversorgung, Metzgerei und Bäckerei). Mit insgesamt 98 Nennungen am zweithäufigsten werden verschiedene gastronomische Angebote wie Cafés und Restaurants genannt. Die weiteren Themenbereiche lassen sich der beistehenden Grafik entnehmen.

 

Ein Großteil der Befragten, die auf diese Frage geantwortet haben (75 %) wäre außerdem bereit, sich auf die ein oder andere Weise persönlich für den Aufbau des fehlenden Angebotes einzusetzen. Dies und die insgesamt in der Befragung deutlich gewordene hohe Engagementbereitschaft in der Bürgerschaft gilt es für den Aufbau von neuen Angeboten einzusetzen – so vielleicht für einen Dorfladen. Welche Ideen, Lösungsansätze und Erfahrungen aus anderen Kommunen es im Bereich Nahversorgung gibt, können Sie kommende Woche im Videoimpulsvortrag erfahren, der am Dienstag, 27. Oktober von 18.00 bis 20.00 Uhr stattfinden wird. Näheres zum weiteren Prozess der Neuaufstellung der Bürgerbeteiligung in Karlsbad sowie zu Ablauf und Teilnahmebedingungen des Online-Vortrages erfahren Sie im Folgenden: 

Allgemeines

Die hier und in weiteren Veröffentlichungen des Mitteilungsblattes in den kommenden Wochen vorgestellten Ergebnisse der Bürgerbefragung bilden den Startpunkt für einen Prozess, in dem alle Bürgerinnen und Bürger in Karlsbad eingeladen sind, den Auf- und Ausbau von Angeboten sowie die Bedingungen eines guten Älterwerdens in Karlsbad gemeinsam aktiv zu gestalten. Der demografische und soziale Wandel in Karlsbad wird somit nicht allein auf die Frage der pflegerischen oder gesundheitlichen Versorgung einer älter werdenden Bürgerschaft verengt. Vielmehr sollen die Lebensbedingungen vor Ort von und mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam gestaltet werden.

Weitere Termine

Bereits im Mitteilungsblatt am 30. Juli informierte die Gemeinde über den geänderten Ablauf des geplanten Bürgerbeteiligungsprozesses aufgrund der Corona-Pandemie. Parallel zu weiteren Veröffentlichungen der Befragungsergebnisse im Mitteilungsblatt im Oktober und November gibt es ab September fünf Videoimpulsvorträge an denen die Bürgerinnen und Bürger teilnehmen können. Die Videoimpulsvorträge finden immer in der Woche nach der jeweiligen Themenveröffentlichung im Mitteilungsblatt statt. Dabei soll es möglich sein, ausgewählte Praxisideen kennenzulernen und mit Praxisexperten ins Gespräch zu kommen. Auf der Webseite der Gemeinde wird weiterhin ein „Sammellink” unter der Überschrift „Ergebnisse Bürgerbefragung Gutes Älterwerden / Neuaufstellung Bürgerbeteiligung” eingerichtet. Auf diesem werden die Unterlagen elektronisch zur Verfügung stehen.